Wer den Tod begruesst
Badezimmer und schloss die Tür hinter sich ab.
Ha. Als ob eine verschlossene Tür ein Hindernis für ihn wäre, wenn er hineinwollte.
Hinterher fühlte sie sich sauberer und schon etwas besser, steckte sich die Haare mit einem Clip hoch, cremte sich ein, zog einen sauberen Slip an und schlüpfte wieder in ihr übergroßes, weißseidenes Nachthemd. Sie war über die Erschöpfung hinaus aber immer noch total aufgeputscht. Aus langer Erfahrung wusste sie, dass sie in diesem aufgekratzten Zustand noch stundenlang wach liegen würde. Also ging sie in die Küche, um sich noch einen Schluck Chardonnay zum Abrappeln zu holen – und traf auf ihren Bodyguard, der ihr in der schwachen Küchenbeleuchtung den Rücken zukehrte.
Jillian blieb abrupt stehen, ebenso überrascht von dem plötzlichen Satz, den ihr Herz machte, wie davon, dass sie Garrett dort im Halbschatten erblickte. Es verblüffte sie, dass sie es genoss, ihn einen Moment einfach nur anzusehen. Unbemerkt. Unbeobachtet.
Obgleich die Küche nur schwach beleuchtet war von dem Licht, das aus dem Flur hereinfiel, und von dem winzigen Licht am Eisspender des Kühlschranks, war er gut zu erkennen.
Auf seinem nackten Rücken zeichneten sich unter der gebräunten Haut deutlich starke Muskelstränge ab. Ohne die Narben da und dort – deren Ursprung, wie sie sich einredete, sie gar nicht wissen wollte – wäre er als Vorzeigemodell durchgegangen für die erstaunlichen Resultate, die man mit einem Fitnessgerät der Spitzenklasse erzielen konnte. Nur dass hier kein Fotomodell breitbeinig und barfüßig in ihrer Küche stand.
Es war ein Mann.
Ein Krieger, was man an seinen Kampfnarben ablesen konnte.
Wenn sie vorher noch irgendwelche Zweifel gehabt hatte, so waren sie diese Nacht ausgeräumt worden, als er sich den Weg aus der Bar frei gekämpft hatte. Aus jeder Bewegung hatte Präzision, Berechnung und Effizienz gesprochen. Beherrschung. Er hätte diesen Männern noch sehr viel mehr schaden können, als sie nur grün und blau zu schlagen. Und das sagte mehr über ihn aus als Jason »Plowboy« Wilsons Heldenverehrung.
Krieger.
Garrett hatte dessen breite Schultern. Ansonsten war sein Brustkorb glatt, und über seiner tief sitzenden, abgetragenen Jeans war von der Taille an aufwärts sein unglaublicher Rücken zu sehen, hart und muskulös. Wohin sie auch blickte, sah sie Stärke – körperliche wie mentale.
Wohin sie auch blickte, sah sie einen Mann vor sich, der völlig anders war als die Männer, die sie kannte. Das waren wohl erzogene, kultivierte Männer. Das waren Männer, die keine Schulterhalfter trugen und keine Ahnung – und erst recht nicht die Absicht – hatten, wie man einen Freund vor einem wild gewordenen Haufen Betrunkener wie dem im Nirvana rettete.
Die Männer, die sie kannte, machten sie auch nicht nervös und brachten ihr Blut nicht in Wallung, wenn sie sie ansah. Aber er. Und diese Reaktion war etwas, was ihr nicht gefiel und was sie noch nicht recht einordnen konnte.
Sie würde darüber nachdenken, wenn sie weniger erschöpft wäre. Im Moment wollte sie ihn einfach nur betrachten.
Genau wie sie hatte er erneut geduscht. Sein Haar war immer noch nass. Ein Wassertropfen lief über die tiefe Einkerbung seines Rückgrats und versickerte in seiner Jeans. Als er seinen Kopf zurücklegte und einen langen, tiefen Schluck aus seiner Flasche Root Beer nahm, wirkte er viel zu rau, zu männlich und zu groß für ihre Küche. Und dennoch wirkte er auch merkwürdig verletzlich.
Vielleicht war es die Art, wie die Jeans über seine nackten Füße fiel. Vielleicht war es die Prellung auf seiner Schulter, die sich gerade von Rot zu einem schmutzigen Blauviolett verfärbte. Oder vielleicht war es die Erschöpfung, die sie in ihm spürte. Keine körperliche Erschöpfung, obgleich sie sicher war, dass er auch diese verspürte, sondern eine seelische Müdigkeit.
Ihr kam in den Sinn, dass sie einen Mann vor sich hatte, der möglicherweise des Kämpfens müde war, seiner Stärke ebenso überdrüssig wie der Narben auf seinem Körper, die zweifellos auch seine Seele verletzt hatten. Es war eine weitere beunruhigende Bestätigung ihres Gefühls, welches ihr sagte, dass er auch nur ein Mensch war. Eine Bestätigung der Theorie, dass er Geheimnisse verbarg und Kummer und Leid.
Entgegen allen Erwartungen hatte sie das überwältigende Bedürfnis, zu ihm zu gehen. Ihn zu berühren. Ihm zu sagen, dass sie ihn verstand. Ihm zu sagen, dass er härter wirkte, als er
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