Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann
mal!«, hinterherrief. Doch zu spät, denn Bernd war schon um die nächste Häuserecke verschwunden, als die Kellnerin zum Abkassieren kam. Wütend beglich ich die noch ausstehenden zwanzig Euro.
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Das folgende Wochenende war das erste, das meine Kinder bei Mark verbrachten, der sich nahe unseres alten Hauses eine Erdgeschosswohnung mit Garten gemietet hatte.
Ich war froh darüber, dass Mark auch weiterhin in Zehlendorf leben wollte. So würden die Kinder jedes zweite Wochenende in ihrer alten, vertrauten Umgebung verbringen, und insbesondere Lorenz, dessen Freundschaften schon länger gewachsen waren als die der dreijährigen Zwillinge, konnte Kontakt zu seinen alten Freunden halten.
Mark hatte Zehlendorf immer geschätzt. Gegenläufig zu seiner beruflichen Beschleunigung suchte er in seiner Freizeit zunehmend Ruhe und Entspannung. Als wir noch frisch liiert waren, waren wir fast jeden Abend zusammen unterwegs gewesen. Mit der Zeit hatte Mark sich aber immer seltener dazu überreden lassen. Selbst an den Wochenenden machte er es sich am liebsten zu Hause auf dem Sofa bequem. Und zwar nicht, um sich bei einem Glas Wein inspirierend zu unterhalten und dann gegebenenfalls Sex mit mir zu haben, sondern um sich in berufliche Akten oder eine Wochenzeitung zu vertiefen und darüber einzuschlafen.
Mich langweilte Marks verkümmertes freizeitliches Aktivitätsbedürfnis, und unsere Abende und Wochenenden erinnerten mich an das Leben in einem Altersheim. Natürlich hatte ich Verständnis dafür, dass er nach einem Arbeitstag in der Kanzlei erschöpft war. Nicht verstehen konnte ich hingegen, dass es in seiner oft zitierten Work-Life-Balance eben keine Balance gab.
»Du und die Kinder habt doch auch etwas davon, wenn ich so viel arbeite«, rechtfertigte Mark sich wiederholt für sein Verhalten.
Das stimmte aber nicht. Ich hätte weitaus lieber weniger Geld und dafür mehr Spaß und eine funktionierende Ehe gehabt.
Nachdem ich an besagtem kinderfreien Wochenende ausgeschlafen hatte – zum allerersten Mal seit Lorenz’ Geburt vor sechs Jahren –, ging ich ohne meinen sonstigen Dauerzeitdruck mit Clooney im Mauerpark spazieren. Außerdem kaufte ich auf dem Kollwitzplatz-Markt lauter Köstlichkeiten ein, die ich schon ewig nicht mehr gegessen hatte, weil meine Kinder sie mit »bäh« kommentierten.
Zurück zu Hause setzte ich mich mit Feigen, Oliven und geräuchertem Lachs auf meinen Balkon und fütterte Clooney zur Feier des Tages mit Leberwurst. Anschließend schrieb ich meinem ehemaligen Chef Roger Kanitz eine E-Mail, in dem ich ihn um ein Treffen bat. Mir war bewusst, dass Roger jetzt, wo ich nicht nur drei Kinder hatte, sondern obendrein alleinerziehend war, erst recht davor zurückschrecken würde, mir einen neuen Job in seinem Büro anzubieten. Da er aber in der Architektenszene bekannt und gut vernetzt war, erhoffte ich mir von einem Gespräch mit ihm Ideen und Ratschläge.
Als ich die Mail verschickt hatte, fiel mein Blick über den Internetverlauf auf www.zweite-runde-fuer-die-liebe.de , und ich öffnete das Portal erneut.
Sehr geehrter potenzieller, zukünftiger Liebhaber einer allein erziehenden Mutter,
las ich dort dieses Mal,
1. Haben Sie bedacht, dass Sie in dem Haushalt einer Frau mit Kindern mit gesteigerter Wahrscheinlichkeit auch dem innigen Kontakt zu einem Haustier – meist Katze oder Hund – ausgesetzt sind, was tätliche Angriffe auf Sie zur Folge haben kann?
☐ Ja
☐ Nein
Sollten Sie in weiser Voraussicht eine Partnerin mit Haustieren kategorisch ausschließen, überspringen Sie bitte die nächsten Fragen.
Falls nicht, beantworten Sie Folgendes:
2. Muss Ihre zukünftige Partnerin mit ungehaltenen Reaktionen Ihrerseits rechnen, falls ihr Haustier – während Sie durch den Geschlechtsakt abgelenkt sind – Ihre Strümpfe verschleppt und/oder auffrisst und/oder Ihre Unterhose beschnuppert (Sex-Neid)?
☐ Ja
☐ Nein
3. Sind Sie außerdem mental darauf vorbereitet, dass eine Katze vorzugsweise kurz vor Ihrem sexuellen Höhepunkt auf Ihren Rücken springen beziehungsweise dass ein Hund Ihnen kurz vor Ihrem Orgasmus die Füße ablecken wird (Eifersucht)?
☐ Ja
☐ Nein
Ich warf Clooney, der schwanzwedelnd neben mir saß und auf ein weiteres Stück Leberwurst hoffte, vorsorglich einen strengen Blick zu und erinnerte mich an die Erfahrungsberichte meines schwulen Freundes Igor.
Dessen größtes Problem im Leben war neben dem Klima wandel und der Ungerechtigkeit unserer Gesellschaft
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