Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann
sein Mops Benson. Der nämlich jaulte immer laut und zerkratzte alle Türen von Igors Wohnung, wenn er hörte, dass sein Herrchen im Nebenraum Sex hatte. Ein Verhalten, das Igor nicht nur viele Beschwerden aus der Nachbarschaft einbrockte, sondern auch eine Serie verpatzter Sexnächte.
Weil Igor in keinem seiner vielen Bücher über Hunde erziehung ein Kapitel zum Thema: »Wie trainiere ich meinem Hund Toleranz und Diskretion gegenüber meinem Sexualleben an« fand, engagierte er einen Hundetrainer. Der verlangte, der Stresssituation des Hundes zuerst persönlich beiwohnen zu müssen, um dann eine Diagnose stellen und eine korrigierende Erziehungsmaßnahme empfehlen zu können.
Igor wollte sich aber von seinem Hundetrainer beim Sex nicht zuhören lassen. Deshalb sperrte er Benson in Zukunft für die Dauer seiner Schäferstündchen ins Auto. Das wiederum funktionierte witterungsbedingt nur von Anfang April bis Ende Oktober.
Und so nahm die Geschichte ihr Ende darin, dass Igor während der Wintermonate keinen Sex mehr hatte.
»Ich könnte dir neben den Kräutertöpfen eine beheizbare Hundehütte auf den Balkon stellen«, schlug ich Clooney vor, kraulte ihn hinter dem Ohr und schämte mich gleichzeitig für den Versuch, ein lösungsorientiertes Gespräch mit meinem Hund zu führen. Dann wandte ich mich wieder dem Computer zu, klickte mich von der Männer- zur Frauen-Rubrik und begann erneut zu lesen:
Liebe alleinerziehende Mutter,
bitte erlauben Sie uns nun folgende intime Fragen und beantworten Sie diese so wahrheitsgemäß wie möglich. Be denken Sie dabei, dass es kontraproduktiv ist, wenn Sie sich Ihrem potenziellen Liebhaber in spe als Mogelpackung anpreisen:
1. Wie viele Kinder haben Sie schon auf natürliche Weise durch Ihren Geburtskanal gepresst?
☐ Ein Kind
☐ Zwei Kinder
☐ Mehr als zwei Kinder
2. Haben Sie mindestens eines Ihrer Kinder länger als drei Monate gestillt?
Falls nein, überspringen Sie bitte die nächste Frage.
Falls ja:
3. Haben Sie die Verschleißerscheinungen Ihrer Brüste und / oder anderer Körperregionen durch schönheitschirurgische Wiederherstellungsmaßnahmen korrigieren lassen?
Falls nein, überspringen Sie bitte die nächste Frage.
Falls ja:
4. Wurde der Eingriff hierzulande vorgenommen oder aus Kostengründen jenseits der Oder-Neiße-Linie?
5. Sollte Letzteres der Fall sein:
Ist das Ergebnis trotzdem ansehnlich?
Ich scrollte weiter und verbot mir ein vertieftes Nachdenken über den Zustand meiner postnatalen erogenen Zonen, um nicht gleich an meinem ersten kinderfreien Wochenende einer schweren Depression zu verfallen. Dabei musste ich an meine inzwischen verstorbene Großtante Hella denken, die kapriziöses Frauengequatsche nicht ertragen konnte und immer dann, wenn ich mich mit Mitte zwanzig auf einem Foto nicht hübsch genug fand, zu meinem Gezeter sagte:
»Jetzt wart halt mal ab und schau dir das Foto in zehn Jahren wieder an. Spätestens dann findest du dich hübsch.«
Auf einmal klingelte es an der Haustür, und ein unverhoffter Besuch beendete meine Lesestunde.
»Hallo, meine Süße!«, rief Claire, auch genannt Charity- Claire, mir schon aus dem Treppenhaus entgegen und stöckelte im nächsten Moment auf meterhohen Stilettos in meine Wohnung. Während Claire ihren Trenchcoat ablegte, präsentierte sie mir neben ihrer nagelneuen Preis-auf-Anfrage-Bluse mit Pythonprint auch ihren Kroko-Shopper, für dessen Wert ich mindestens drei Monatsmieten hätte zahlen können.
»Hoffentlich kaufen mir die Tasche nicht gleich wieder al le nach …«, sorgte sie sich ernsthaft. Denn wenn andere Frauen ihre Kleider oder Accessoires kopierten, fühlte sie sich vom Schicksal noch schlimmer betrogen, als wenn es während ihrer sechswöchigen Sommerferien an der Côte d’Azur einen halben Tag lang regnete.
Claire und ich hatten uns über die Kita Panama kennengelernt, wo sich Lorenz und ihr jüngerer Sohn miteinander angefreundet hatten. Da wir die einzigen Panama -Mütter waren, die sich über die vielen Elterndienste dort ärgerten, wurden wir zu Verbündeten. Die Gründe dafür waren jedoch verschieden: Claire fühlte sich durch die Kita-Dienste nicht von ihrem Job abgehalten – sie hatte gar keinen –, sondern vom »Fitten«, »Waxen« und »Wellnessen«.
Zu ihrem Beinamen »Charity« war Claire gekommen, weil sie regelmäßig an Wohltätigkeitsveranstaltungen teilnahm. Böse Zungen behaupteten zwar, es ginge ihr dabei nur um das Prestige einer
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