Wer lügt, gewinnt
alternatus verwenden, die, wenn sie schon nicht tötet, zumindest verkrüppelt, wie die Provinzler sagen. Es ist einfach, eine Schlange im Gepäck im Auto mitzunehmen, im Kofferraum. Es ist leicht, den Ehemann betrunken zu machen. Es ist leicht, die Schlange dazu zu bringen, daß sie ihn beißt, wenn er wie ein widerliches Schwein mit vollem Bauch vor sich hinschnarcht. Und es ist einfach zu sagen, daß es ein Unfall war.
Ich habe nicht vor, über ein Verbrechen aus Leidenschaft zu schreiben, sagte ich. Wen willst du dann umbringen? fragte sie. Zwei Erbinnen, antwortete ich. Ich dachte, es sollte ein Ehepaar sein, sagte sie. Na ja, es gilt egal für wen. Das wichtigste ist das logistische Gerüst. Wenn sie in einem Institut für Schlangenzucht arbeitet und der Ehemann an einem Schlangenbiß stirbt, wird die Polizei denken, das Mädchen würde wohl kaum so blöd sein und etwas Derartiges tun. Es ist so augenfällig, daß man sie kaum verdächtigen wird. Oder? Es gibt sogar so einen Film, mit dieser Blondine, ich habe ihren Namen vergessen. Meinst du, die Polizei würde mich verdächtigen, wenn ich meinen Mann nach dieser Methode umbringen würde?
Auf diese Weise erfuhr ich, daß Fúlvia verheiratet war. Das Interessante an dieser Geschichte, meinte sie, abgesehen von dem Umstand, daß es sich um einen wissenschaftlichen Mord handelt, ist der symbolische Aspekt; in einigen Kulturen verkörpert die Schlange das Leben, das Licht, die Unsterblichkeit. Die Ägypter, die Hindus und die australischen Aborigines verehren die Schlange. Schlangen dürfen in bestimmten Gegenden Afrikas nicht getötet werden. Das ist ein überaus schwerwiegendes Verbrechen. Aber für uns ist die Schlange nichts als ein Symbol der Verwünschung, der Lüge und der Grausamkeit. Erinnerst du dich an den Bann, mit dem Gott die Schlange belegt hat? »Verflucht seist du, verstoßen aus allem Vieh und allen Tieren auf dem Felde. Auf deinem Bauche sollst du kriechen und Erde fressen dein Leben lang. Unbarmherzig sollst du verfolgt und vernichtet werden, und keine deiner Handlungen soll dich erlösen können.« Ich muß ungefähr sieben Jahre alt gewesen sein, als ich diese Passage aus der Bibel zum ersten Mal gehört habe, das war in der Katechismusstunde. Ich fand es dumm von Gott, ein so überlegenes Tier wie die Schlange aus dem Paradies zu verbannen. Es gibt nichts Spannenderes als Schlangen, nichts, absolut gar nichts, sagte sie. Jedes Tier, ob Giraffe, Zebra, Elefant, alle diese Säugetiere sind biologisch gesehen nichts im Vergleich mit der Schlange. Ich habe Schlangen schon immer bewundert.
Zu diesem Zeitpunkt unseres Gesprächs saßen wir uns gegenüber am Tisch, tranken Wein, schauten uns an, lachten über allen möglichen Unsinn, Fúlvias Hände lagen in meinen, aber sie war noch immer ein wenig verkrampft, wich immer noch aus, ich ließ nicht locker, verflocht unsere Finger ineinander, sie machte sich frei, es dauerte, bis sie ihre Befangenheit ablegte, und als das geschah, sagte ich, laß uns zu mir gehen.
Ich führte Fúlvia in mein unaufgeräumtes Zimmer, überall Papier, Bücherstapel über Bücherstapel auf dem Boden verstreut. Ich zeigte ihr die Bücher, die ich bei Minnesota veröffentlicht hatte und die unter amerikanischem Pseudonym an den Zeitungskiosken verkauft wurden, Wenn die Sonne sich verkriecht von Gregory Turow, Die sieben Mönche von John Condon, Die verfluchte Statue von Malcom Lovesey, und noch viele mehr. Weshalb die Pseudonyme? wollte sie wissen. Das ist eine Bedingung des Verlags, sagte ich. Sie fand, José Guber sei ein hervorragender Künstlername. Ich erklärte ihr, mein Verlag habe nichts Künstlerisches. Du mußt unheimlich kreativ sein, sich so einen Haufen Verbrechen auszudenken, sich die Waffen, die Alibis, die Flucht zu überlegen ist bestimmt nicht leicht. Verflixt schwierig, pflichtete ich ihr bei. Das möchte ich gerne lesen, kann ich’s mitnehmen?
In dieser Nacht passierte nichts. Auch in der folgenden nicht. Wir schlossen uns in meinem Zimmer ein und unterhielten uns die ganze Zeit über Schlangen und Kriminalfälle. Ich muß dir etwas gestehen, sagte sie, ich lese gerne über Verbrechen, Romane lese ich keine, sagte sie, dazu habe ich keine Zeit, ich lese nur wissenschaftliche Texte über Schlangenkunde und eben über Kriminalfälle, über Verbrechen lese ich gerne in der Zeitung, auch nicht über gewöhnliche Verbrechen, ich mag es, über Leute zu lesen, die außer Kontrolle geraten, die ihre ganze
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