Werke
lästige Vormundschaft über dich sehr redlich und fleißig verwaltet, und ist dir nicht abgeneigt; denn er hatte immer viele Freude, wenn du deine Prüfungen gut gemacht hattest. Aber lassen wir das, zu dieser Heirat ist es noch weit hin. – – Dein Vater könnte jetzt auch so hoch ein, oder noch höher; denn er hat einen gewaltigen Geist gehabt, den sie nur nicht kannten. Deine eigene leibliche Mutter hat ihn nicht einmal gekannt. Und gut ist er gewesen, so sehr gut, daß ich jetzt noch manchmal daran denke, wie er gar so gut gewesen ist. Deine Mutter ist auch recht lieb und fromm gewesen, nur ist sie viel zu frühe für dich gestorben. – – Sei nicht traurig, Victor – gehe nun hinauf in deine Stabe und bringe alles in Ordnung. Die Kleider mußt du nicht auseinander reißen, sie liegen schon so, wie sie in den Koffer passen. Sei bei dem Hineinlegen sorgsam, daß nichts zu sehr verknittert wird. – So. – – Ehe du hinauf gehst, Victor, höre noch eine Bitte von deiner Ziehmutter: wenn du heute oder morgen noch mit Hanna zusammen triffst, so sage ihr ein gutes Wort; es ist nicht recht gewesen, daß ihr euch nicht immer gut vertragen habt! – So, Victor, gehe nun; denn ein Tag ist gar nicht so lange.«
Der Jüngling sagte gar nichts auf diese Rede, sondern er stand auf und ging hinaus, wie einer, dem das Herz in Wehmut schwimmt. Und wie man oft bei innerer Bewegung in der äußern ungeschickt ist, geschah es ihm auch, daß er die Schulter an die Fassung der Tür anstieß. Der Spitz ging mit ihm hinauf.
Oben in seiner Stube, in der er nun so viele Jahre gewohnt hatte, war es erst recht traurig; denn nichts stand so, wie es in den Tagen der ruhig dauernden Gewohnheit gestanden war. Nur eines war noch so: der große Holunderbusch, auf den seine Fenster hinaus sahen, und das rieselnde Wasser unten, das einen feinen, zitternden Lichtschein auf die Decke seines Zimmers herauf sandte; die Berge waren noch, die sonnenhell schweigend und hütend das Tal umstehen; und der Obstwald war noch, der im Grunde des Tales in Fülle und Dichte das Dorf umhüllt und recht fruchtbar und segenbringend in der warmen Luft ruht, die zwischen die Berge geklemmt ist. Alles andere war anders. Die Laden und Fächer der Kästen waren heraus gerissen und leer, und ihr Inhalt lag außen auf ihnen herum: die blütenweiße Linnenwäsche, nach Stücken geordnet – dann die Kleider, rein zusammen gelegt und in gehörige Stöße abgeteilt – andere Dinge, die teils in den Koffer gepackt werden sollten, teils in das Wanderränzchen gehörten, das schon geöffnet auf einem Sessel lag und wartete – auf dem Bette waren fremde Sachen, auf dem Boden stand der Koffer mit gelöstem Riemzeug und lagen zerrissene Papiere: nur die Taschenuhr, auf ihrem gewöhnlichen Platze hängend, pickte wie sonst, und nur die Bücher standen in den Schreinen wie sonst und harrten auf ihren Gebrauch.
Victor sah das alles an, aber er tat nichts. Statt einzupacken, setzte er sich auf einen Stuhl, der in der Ecke des Zimmers stand, und drückte den Spitz an sein Herz. Dann blieb er sitzen.
Die Klänge der Turmuhr kamen durch die offenen Fenster herein, wie sie die Stunde ausschlug, aber Victor wußte nicht, die wie vielte es sei – die Magd, welche zurück gekommen war, hörte man aus dem Garten herauf singen – auf den fernen Bergen glitzerte es zuweilen, als wenn ein blankes Silberstück oder ein Glastäfelchen dort läge – das Lichtzittern auf der Stubendecke hatte aufgehört, weil die Sonne schon zu hoch hinüber gegangen war – das Horn des Hirten war zu vernehmen, der auf den Bergen seine Tiere trieb – die Uhr schlug wieder; aber der Jüngling saß immer auf dem Stuhle, und der Hund saß vor ihm und schaute ihn unbeweglich an.
Endlich, als er die Tritte seiner Mutter über die Treppe herauf hörte, sprang er plötzlich auf und stürzte an sein Geschäft. Er riß die Flügel des Bücherkastens auseinander und begann schnell die Bücher stoßweise auf den Boden heraus zu legen. Die Frau aber steckte bloß ein wenig den Kopf bei der gelüfteten Tür herein, und da sie ihn so beschäftigt sah, zog sie sich wieder zurück und ging auf den Zehen davon. Er aber, da er sich einmal in Tätigkeit gesetzt hatte, blieb auch dabei und arbeitete feuereifrig fort.
Alle Bücher wurden aus den zwei Bücherkästen heraus getan, bis sie leer waren und die ledigen Fächer in das Zimmer starrten. Dann band er die Bücher in Stöße und legte sie in eine bereit stehende
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