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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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erstiegen – und wir waren in den vielfach verschlungenen und um die Steine herumgehenden Krummweiden gewandelt. –
    Die zauberhaften Musiktöne jenes Abends hatte ich nie wieder gehört. An dem hohen, azurblauen Himmel der Nacht hörte ich jetzt nichts als das nun niemal mehr unterbrochene leise, gleichartige Rauschen des Springbrunnens, das sich oben an seinem Gewölbe zu sammeln schien. Nach Mitternacht zierte die schöne Kuppel jetzt ein halber, im Silberglanze funkelnder Mond, um, wenn er am höchsten Punkte seines Bogens erblaßte, einem Tage Platz zu machen, der in gleicher Schönheit über die Haide herüber blühte, wie alle die gewesen waren, die ihm voraus gegangen waren.
    Einmal, da ich nachmittags von einem Spaziergange nach Hause zurück kehrte und mich dem Gebäude meines Freundes näherte, hörte ich aus dem Innern desselben plötzlich die lieblichen Töne, die ich nur einmal hier und dann vor mehreren Jahren in Wien gehört hatte. Ich ging näher, ich ging durch den Garten, ich ging in die Halle, ich bestieg die Treppe, und ich kam in den Gang, der durch das Geschoß des Hauses lief. Auch hier hörte ich die Töne – sie waren wirklich die Geigentöne meiner ersten hiesigen Nacht. Ich hörte sie hier gedämpfter, und sie schienen aus den Zimmern der Mutter zu kommen. Obwohl ich nie dort gewesen war, so ging ich doch jetzt auf dieselben zu. Als ich die große Tür geöffnet hatte, befand ich mich in einem Vorsaale, der leer war, und in dem nur die großen Kästen standen, die die Kleider der Frauen enthalten mochten. Die Tür in das weitere Zimmer war offen. Als ich in dieselbe trat, sah ich an einer schönen Alabastervase Camilla stehen, die Violine an ihrem Busen. Die Mutter saß in der Tiefe des Zimmers und hörte zu. Das Mädchen war in einem weiten weißen Gewande, wie sie es sonst nur an Vormittagen zu tragen pflegte. Der Arm, der entblößt aus dem weiten Ärmel des Kleides ragte und die Geige trug, war mit einem goldenen Reife geziert, der andere war schmucklos und führte den Bogen. Sie schlug aus dem weichen Angesichte die schönen großen Augen gegen mich auf, als ich unter der Tür erschien, und endete ihr Spiel. Sie stand da, die gesenkte Geige in der Linken, den Bogen in der Rechte haltend.
    »Weil unser verehrter Gast nun einmal entdeckt hat, daß du diese Kunst treibst,« sagte die Mutter, »so magst du nun fortfahren, wenn es dir überhaupt zusagt, es zu tun, er wird herein treten und wird dir mit mir ein wenig zuhorchen.«
    Sie rückte hiebei auf dem Sofa etwas weiter, gleichsam um mir neben sich Platz zu machen.
    Camilla zauderte ein wenig, als wollte sie nicht tun, was die Mutter gesagt hatte. Als ich aber auf die Einladung, hinein zu treten, eine abwehrende Bewegung machte, als ich verlegen wurde, und als ich eine Wendung machte, fort zu gehen, errötete sie leise, zögerte noch ein Weilchen, und nahm dann die Geige empor und begann schüchtern zu spielen.
    Die Töne, die von der Geige gingen, waren die merkwürdigen, die mich in der ersten Nacht so ergriffen hatten. Sie waren wieder die fast schmerzlich schönen Töne, die so eindrangen. Sie spielte ohne Noten, das Tonstück war mir völlig unbekannt, es mochten eigene hier ausgesprochene Gedanken sein. Das wunderbare Ding, von dem diese Töne hervor gingen, ruhte sicher an ihrem Herzen, als wäre es ein atmender Teil ihres Wesens, und der Bogen ging leicht, ich möchte den Ausdruck gebrauchen, gehaucht über die Saiten, daß die Töne klar und einzeln, aber auch zart und bildsam hervor traten, wie flüssiges, durchsichtiges Gold, wenn es eines gäbe. Sie hatte während des Spieles die großen Augenlider mit den langen feinen Wimpern gesenkt. Nach dem ersten Stücke, das nur etwas durch mein Erscheinen unterbrochen worden war, spielte sie ein zweites, das aber weniger traurig war als das erste, gleichsam als trüge sie es dem fremden zuhörenden Manne vor. Dann spielte sie noch etwas, dann noch etwas. Es waren eingeübte Dinge aus bekannten Tonsetzern. Zuletzt spielte sie noch eine Kleinigkeit, unterbrach sich ein wenig, und spielte sie dann aber doch aus. Hierauf legte sie die Geige sachte auf ein in der Nähe stehendes Klavier, ging zu ihrer Mutter, setzte sich zu ihr und schmiegte sich an sie an. Sie schlug jetzt die Augen zu mir auf, gleichsam zu fragen, ob es mir nicht mißfallen habe.
    Als ich das Mädchen so vor mir stehen und sie spielen gesehen hatte, war es mir immer gewesen, als müßte ich sie schon irgend einmal,

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