Werke
genug war, trug er es zu dem Mädchen, und machte ihm ein weicheres Lager. Er tat die Dinge an jene Stellen unter ihrem Körper, wo sie am meisten not taten. Dann schnitt er mit seinem Messer Zweige von den Gesträuchen, steckte sie um das Kind in die Erde, band sie an den Spitzen mit Gras und Halmen zusammen, und legte noch leichte Äste darauf, daß sie ein Dach bildeten. Auf den Körper des Mädchens legte er Zweige, und bedeckte sie mit breitblättrigen Kräutern, zum Beispiel mit Huflattig, daß sie eine Decke bildeten. Für sich holte er dann Nahrung aus den Feldern des toten Vaters. Bei der Nacht machte er ein Feuer aus zusammen getragenem Holze und Moder. So saß er bei Tage bei dem bewußtlosen Kinde, hütete es und schützte es vor Tieren und Fliegen, bei Nacht unterhielt er ein glänzendes Feuer. Siehe, das Kind starb aber nicht, sondern die Krankheit besserte sich immer mehr und mehr, die Wänglein wurden wieder lieblicher und schöner, die Lippen bekamen die Rosenfarbe und waren nicht mehr so bleich und gelblich, und die Äuglein öffneten sich und schauten herum. Es fing auch an zu essen, es aß die Erdbeeren, die noch zu finden waren, es aß Himbeeren, die schon reiften, es aß die Kerne der Haselnüsse, die zwar nicht reif, aber süß und weich waren, es aß endlich sogar das weiße Mehl der gebratenen Kartoffelnund die zarten Körner des Kornes, was ihm alles der Knabe brachte und reichte; und wenn es schlief, so lief er auf den Hügel und erkletterte einen Felsen, um überall herum zu spähen, auch suchte er wieder die Tiere, weil die Milch jetzt recht gut gewesen wäre. Aber er konnte nichts erspähen, und konnte die Tiere nicht finden. Da das Mädchen schon stärker war und mithelfen konnte, brachte er es an einen Platz, wo überhängende Äste es schützten, aber da er dachte, daß ein Gewitter kommen, und der Regen durch die Äste schlagen könnte, so suchte er eine Höhle, die trocken war, dort machte er ein Lager, und brachte das Mädchen hin. Eine Steinplatte stand oben über die Stätte, und sie konnten schön auf den Wald hinaussehen. Ich habe dir gesagt, daß jene Krankheit sehr heftig war, daß die Menschen in fünf bis sechs Stunden gesund und tot waren; aber ich sage dir auch: wer die Krankheit überstand, der war sehr bald gesund, nur daß er lange Zeit schwach blieb, und lange Zeit sich pflegen mußte. In dieser Höhle blieben nun die Kinder, und der Knabe ernährte das Mädchen, und tat ihm alles und jedes Gute, was es notwendig hatte. Nun erzählte ihm auch das Mädchen, wie es in den Wald gekommen sei. Vater und Mutter und mehrere Leute hätten ihre ferne Heimat verlassen, als sich die Krankheit genähert habe, um höhere Orte zu suchen, wo sie von dem Übel nicht erreicht werden würden. Indem großen Walde seien sie irre gegangen, der Vater und die Mutter seien gestorben, und das Mädchen sei allein übrig geblieben. Wo Vater und Mutter gestorben seien, wo die andern Leute hingekommen, wie es selber in die Brombeeren geraten sei, wußte es nicht. Auch konnte es nicht sagen, wo die Heimat sei. Der Knabe erzählte dem Mädchen auch, wie sie ihre Hütte verlassen hatten, wie alle in den Wald gegangen wären, und wie sie gestorben seien, und er allein nur am Leben geblieben wäre. Siehst du, so saßen die Kinder in der Höhle, wenn der Tag über den Wald hinüber zog und das Grüne beleuchtete, die Vöglein sangen, die Bäume glänzten, und die Bergspitzen leuchteten; oder sie schlummerten, wenn es Nacht war, wenn es finster und still war, oder der Schrei eines wilden Tieres tönte, oder der Mond am Himmel stand und seine Strahlen über die Wipfel goß. Du kannst dir denken, wie es war, wenn du betrachtest, wie schon hier die Nacht ist, wie der Mond so schauerlich in den Wolken steht, wo wir doch schon so nahe an den Häusern sind, und wie er auf die schwarzen Vogelbeerbäume unsers Nachbars hernieder scheint.«
Wir waren, während der Großvater erzählte, durch die Felder von Oberplan herab gegangen, wir waren über die Wiese gegangen, in welcher das Behringer Brünnlein ist, wir waren über die Steinwand gestiegen, wir waren über den weichen Rasen gegangen, und näherten uns bereits den Häusern von Oberplan. Es war indessen völlig Nacht geworden, der halbe Mond stand am Himmel, viele Wolken hatten sich aufgetürmt, die er beglänzte, und seine Strahlen fielen gerade auf die Vogelbeerbäume, die in dem Garten unsers Nachbars standen.
»Nachdem das Mädchen sehr stark geworden
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