Werke
hatte, stellte sich wieder ein, und ich setzte die Messungen nach einem Plane fort, um die Talsohle des Sees immer richtiger zu ergründen und das Bild einer größeren Sicherstellung entgegen zu führen. Gustav begleitete mich mehrere Male und arbeitete mit den Männern, die ich gedungen hatte, das Schiff zu lenken, die Schnüre auszuwerfen, die Kloben zu richten, an denen sich die Senkgewichte abwickelten, oder andere Dinge zu tun, die sich als notwendig erwiesen.
Besondere Freude machte es mir, daß ich nach und nach die Feinheiten des menschlichen Angesichtes immer besser behandeln lernte, besonders, was mir früher so schwer war, wenn der leichte Duft der Farbe über die Wangen schöner Mädchen ging, die sich sanft rundeten, schier keine Abwechslung zeigten, und doch so mannigfaltig waren. Mir waren die Versuche am angenehmsten, das Liebliche, Sittige, Schelmische, das sich an manchen jungen Land- oder Gebirgsmädchen darstellte, auf der Leinwand nachzuahmen.
Eines Abends, da Blitze fast um den ganzen Gesichtskreis leuchteten und ich von dem Garten gegen das Haus ging, fand ich die Tür, welche zu dem Gange des Ammonitenmarmors zu der breiten Marmortreppe und zu dem Marmorsaale führte, offen stehen. Ein Arbeiter, der in der Nähe war, sagte mir, daß wahrscheinlich der Herr durch die Tür hinein gegangen sei, daß er sich vermutlich in dem steinernen Saale befinden werde, in welchen er gerne gehe, wenn Gewitter am Himmel ständen, und daß die Tür vielleicht offen geblieben sei, damit Gustav, wenn er käme, auch hinaufgehen könnte. Ich blickte in den Marmorgang, sah hinter der Schwelle mehrere Paare von Filzschuhen stehen, und beschloß, auch in den steinernen Saal hinauf zu gehen, um meinen Gastfreund aufzusuchen. Ich legte ein Paar von passenden Filzschuhen an und ging den Gang des Ammonitenmarmors entlang. Ich kam zu der Marmortreppe und stieg langsam auf ihr empor. Es war heute kein Tuchstreifen über sie gelegt, sie stand in ihrem ganzen feinen Glanze da, und erhellte sich noch mehr, wenn ein Blitz durch den Himmel ging und von der Glasbedachung, die über der Treppe war, hereingeleitet wurde. So gelangte ich bis in die Mitte der Treppe, wo in einer Unterbrechung und Erweiterung gleichsam wie in einer Halle nicht weit von der Wand die Bildsäule von weißem Marmor steht. Es war noch so licht, daß man alle Gegenstände in klaren Linien und deutlichen Schatten sehen konnte. Ich blickte auf die Bildsäule, und sie kam mir heute ganz anders vor. Die Mädchengestalt stand in so schöner Bildung, wie sie ein Künstler ersinnen, wie sie sich eine Einbildungskraft vorstellen, oder wie sie ein sehr tiefes Herz ahnen kann, auf dem niedern Sockel vor mir, welcher eher eine Stufe schien, auf die sie gestiegen war, um herumblicken zu können. Ich vermochte nun nicht weiter zu gehen, und richtete meine Augen genauer auf die Gestalt. Sie schien mir von heidnischer Bildung zu sein. Das Haupt stand auf dem Nachen, als blühete es auf demselben. Dieser war ein wenig, aber kaum merklich vorwärts gebogen, und auf ihm lag das eigentümliche Licht, das nur der Marmor hat, und das das dicke Glas des Treppendaches hereinsendete. Der Bau der Haare, welcher leicht geordnet gegen den Nacken niederging, schnitt diesen mit einem flüchtigen Schatten, der das Licht noch lieblicher machte. Die Stirne war rein, und es ist begreiflich, daß man nur aus Marmor so etwas machen kann. Ich habe nicht gewußt, daß eine menschliche Stirne so schön ist. Sie schien mir unschuldvoll zu sein, und doch der Sitz von erhabenen Gedanken. Unter diesem Throne war die klare Wange ruhig und ernst, dann der Mund, so feingebildet, als sollte er verständige Worte sagen oder schöne Lieder singen, und als sollte er doch sogütig sein. Das Ganze schloß das Kinn wie ein ruhiges Maß. Daß sich die Gestalt nicht regte, schien bloß in dem strengen, bedeutungsvollen Himmel zu liegen, der mit den fernen stehenden Gewittern über das Glasdach gespannt war und zur Betrachtung einlud. Edle Schatten wie schöne Hauche hoben den sanften Glanz der Brust, und dann waren Gewänder bis an die Knöchel hinunter. Ich dachte an Nausikae, wie sie an der Pforte des goldenen Saales stand und zu Odysseus die Worte sagte: »Fremdling, wenn du in dein Land kömmst, so gedenke meiner.« Der eine Arm war gesenkt und hielt in den Fingern ein kleines Stäbchen, der andere war in der Gewandung zum Teile verhüllt, die er ein wenig emporhob. Das Kleid war eher eine schön
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