Werke
geschlungene Hülle als ein nach einem gebräuchlichen Schnitte Verfertigtes. Es erzählte von der reinen, geschlossenen Gestalt, und war so stofflich treu, daß man meinte, man könne es falten und in einen Schrein verpacken. Die einfache Wand des grauen Ammonitenmarmors hob die weiße Gestalt noch schärfer ab und stellte sie freier. Wenn ein Blitz geschah, floß ein rosenrotes Licht an ihr hernieder, und dann war wieder die frühere Farbe da. Mir dünkte es gut, daß man diese Gestalt nicht in ein Zimmer gestellt hatte, in welchem Fenster sind, durch die alltägliche Gegenstände herein schauen, und durch die verworrene Lichter einströmen, sondern daß man sie ineinen Raum getan hat, der ihr allein gehört, der sein Licht von oben bekömmt und sie mit einer dämmerigen Helle wie mit einem Tempel umfängt. Auch durfte der Raum nicht einer des täglichen Gebrauchs sein, und es war sehr geeignet, daß die Wände rings herum mit einem kostbaren Steine bekleidet sind. Ich hatte eine Empfindung, als ob ich bei einem lebenden schweigenden Wesen stände, und hatte fast einen Schauer, als ob sich das Mädchen in jedem Augenblicke regen würde. Ich blickte die Gestalt an und sah mehrere Male die rötlichen Blitze und die graulich weiße Farbe auf ihr wechseln. Da ich lange geschaut hatte, ging ich weiter. Wenn es möglich wäre, mit Filzschuhen noch leichter aufzutreten, als es ohnehin stets geschehen muß, so hätte ich es getan. Ich ging mit dem lautlosen Tritte langsam über die glänzenden Stufen des Marmors bis zu dem steinernen Saale hinan. Seine Tür war halb geöffnet. Ich trat hinein.
Mein Gastfreund war wirklich in demselben. Er ging in leichten Schuhen mit Sohlen, die noch weicher als Filz waren, auf dem geglätteten Pflaster auf und nieder.
Da er mich kommen sah, ging er auf mich zu und blieb vor mir stehen.
»Ich habe die Tür zu dem Marmorgange offen gesehen,« sagte ich, »man hat mir berichtet, daß Ihr hier oben sein könntet, und da bin ich herauf gegangen, Euch zu suchen.«
»Daran haßt Ihr recht getan«, erwiderte er.
»Warum habt Ihr mir denn nicht gesagt,« sprach ich weiter, »daß die Bildsäule, welche auf Eurer Marmortreppe steht, so schön ist?«
»Wer hat es Euch denn jetzt gesagt?« fragte er. »Ich habe es selber gesehen«, antwortete ich.
»Nun, dann werdet Ihr es um so sicherer wissen und mit desto größerer Festigkeit glauben,« erwiderte er, »als wenn Euch jemand eine Behauptung darüber gesagt hätte.«
»Ich habe nämlich den Glauben, daß das Bildwerk sehr schön sei«, antwortete ich, mich verbessernd.
»Ich teile mit Euch den Glauben, daß das Werk von großer Bedeutung sei«, sagte er.
»Und warum haßt Ihr denn nie zu mir darüber gesprochen?« fragte ich.
»Weil ich dachte, daß Ihr es nach einer bestimmten Zeit selber betrachten und für schön erachten werdet«, antwortete er.
»Wenn Ihr mir es früher gesagt hättet, so hätte ich es früher gewußt«, erwiderte ich.
»Jemanden sagen, daß etwas schön sei,« antwortete er, »heißt nicht immer, jemanden den Besitz der Schönheit geben. Er kann in vielen Fällen bloß glauben. Gewiß aber verkümmert man dadurch demjenigen das Besitzen des Schönen, der ohnehin aus eigenem Antriebe darauf gekommen wäre. Dies setzte ich bei Euch voraus, und darum wartete ich sehr gerne auf Euch.«
»Aber was müßt Ihr denn die Zeit her über mich gedacht haben, daß ich diese Bildsäule sehen konnte, und über sie geschwiegen habe?« fragte ich.
»Ich habe gedacht, daß Ihr wahrhaftig seid,« sagte er, »und ich habe Euch höher geachtet als die, welche ohne Überzeugung von dem Werke reden, oder als die, welche es darum loben, weil sie hören, daß es von andern gelobt wird.«
»Und wo habt Ihr denn das herrliche Bildwerk hergenommen?« fragte ich.
»Es stammt aus dem alten Griechenlande,« antwortete er, »und seine Geschichte ist sonderbar. Es stand viele Jahre in einer Bretterbude bei Cumä in Italien. Sein unterer Teil war mit Holz verbaut, weil man den Platz, an dem es stand, und der teils offen, teils gedeckt war, zu häufigem Ballschlagen verwendete, und die Bälle nicht selten in die Bude der Gestalt flogen. Deshalb legte man von der Brust abwärts einen dachartigen Schutz an, der die Bälle geschickt herab rollen machte, und über den sich die Gestalt wie eine Büste darstellte. Es waren in dem Raume teils an den Bretterbauten, teils an Mauerstücken, aus denen er bestand, noch andere Gestalten angebracht, ein
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