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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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ich zeigte Klotilden den Hügel, auf welchem das Haus meines Gastfreundes liegt, richtete das Fernrohr, und ließ sie durch dasselbe das Haus erblicken. Wir waren aber hier so weit von dem Asperhofe entfernt, daß man selbst durch das Fernrohr das Haus nur als ein weißes Sternchen sehen konnte. Nach dessen Betrachtung fuhren wir wieder weiter.
    Als nach diesem Tage der dritte vergangen war, fuhren wir gegen Abend durch den Torweg des Vorstadthauses unserer Eltern ein.
    »Mutter,« rief ich, da uns diese und der Vater, der unsere Ankunft gewußt hatte und daher zu Hause geblieben war, entgegen kamen, »ich bringe sie dir gesund und blühend zurück.«
    Wirklich war Klotilde, wie es dem Vater auf seiner kleinen Reise ergangen war, durch die Luft und die Bewegung kräftiger, heiterer und in ihrem Angesichte reicher an Farbe geworden, als sie es je in der Stadt gewesen war.
    Sie sprang von dem Wagen in die Arme der Mutter und begrüßte diese und dann auch den Vater freudenvoll; denn es war das erste Mal gewesen, daß sie die Eltern verlassen hatte und auf längere Zeit in ziemlicher Entfernung von ihnen gewesen war. Man führte sie die Treppe hinan, und dann in ihr Zimmer. Dort mußte sie erzählen, erzählte gerne, und unterbrach sich öfter, indem sie das inzwischen heraufgebrachte Gepäck aufschloß und die mannigfaltigen Dinge heraus nahm, die sie in den verschiedenen Ortschaften zu Geschenken und Erinnerungen gekauft oder an mancherlei Wanderstellen gesammelt hatte. Ich war ebenfalls mit in ihr Zimmer gegangen, und als wir geraume Weile bei ihr gewesen waren, entfernten wir uns und überließen sie einer notwendigen Ruhe.
    Nun folgte für Klotilden fast eine Zeit der Betäubung, sie beschrieb, sie erzählte wieder, sie setzte sich vor Zeichnungen hin, blätterte in ihnen, oder zeichnete selber, und suchte in der Erinnerung Gesehenes nachzubilden.
    Aber auch für mich war diese Reise nicht ohne Erfolg gewesen. Was ich halb im Scherze, halb im Ernste gesagt hatte, daß ich durch diese Reise zu einer größeren Ruhe kommen werde, ist in Wirklichkeit eingetroffen. Klotilde, welche alle die Gegenstände, die mir längst bekannt waren, mit neuen Augen angeschaut, welche alles so frisch, so klar und so tief in ihr Gemüt aufgenommen hatte, hatte meine Gedanken auf sich gelenkt, hatte mir selber etwas Frisches und Ursprüngliches gegeben und mir Freude über ihre Freude mitgeteilt, so daß ich gleichsam gestärkter und befestigter über meine Beziehungen nachdenken und sie mir gewissermaßen vor mir selber zurecht legen konnte.
    Ich hatte mit Natalien keinen Briefwechsel verabredet, ich hatte nicht daran gedacht, sie wahrscheinlich auch nicht. Unser Verhältnis erschien mir so hoch, daß es mir kleiner vorgekommen wäre, wenn wir uns gegenseitig Briefe geschickt hätten. Wir mußten in der Festigkeit der Überzeugung der Liebe des andern ruhen, durften uns nicht durch Ungeduld vermindern, und mußten warten, wie sich alles entwickeln werde. So konnte ich mit dem Gefühle von Seligkeit von Natalien fern sein, konnte mich freuen, daß alles so ist, wie es ist, und konnte dessen harren, was meine Eltern und Nataliens Angehörige beginnen werden.
    Klotilden, welche ihren Bergen, Lüften, Seen und Wäldern die Farbe geben wollte, die sie gesehen hatte, suchte ich beizustehen, und zeigte ihr, worin sie fehle, und wie sie es immer besser machen könne. Wir wußten es jetzt, daß man die zarte Kraft, wie sie uns in der Wesenheit der Hochgebirge entgegen tritt, nicht darstellen könne, und die Kunst des Großen Meisters nur in der besten Annäherung bestehe. Auch in ihrem Bestreben, die Art, wie sie im Gebirge die Zither spielen gehört hatte, und die eigentümlichen Töne, die ihr dort vorgekommen waren, nachzuahmen, suchte ich ihr zu helfen. Wir konnten wohl beide unsere Vorbilder nicht völlig erreichen, freuten uns aber doch unserer Versuche. Bei einigen Freunden machte ich gelegentlich zwei oder drei Besuche.
    So war der Winter gekommen. Ich faßte, weil ich schon nach dem Rate des Vaters beschlossen hatte, im Winter meinen Gastfreund zu besuchen, zugleich auch den Entschluß, einmal im Winter in das Hochgebirge zu gehen und, wenn dies möglich sein sollte, einen hohen Berg zu besteigen und auf dem Eise eines Gletschers zu verweilen. Ich bestimmte hierzu den Januar als den beständigsten und meistens auch klarsten Monat des Winters. Gleich nach seinem Beginne fuhr ich von dem Hause meiner Eltern ab, und fuhr in dem

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