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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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am ersten Tage meiner Anwesenheit im elterlichen Hause führte mich meine Mutter in die Zimmer, die für mich und Natalien als Wohnung hergerichtet worden waren, wenn wir uns in der Stadt aufhalten wollten. Ich hatte gar nicht gedacht, daß in dem Hause so viel Platz sei, so geräumig war die Wohnung. Sie war zugleich so schön und edel angeordnet, daß ich meine Freude daran hatte. Ich sprach bei dieser Gelegenheit von dem Vermählungstage, und die Mutter antwortete, daß der Vater glaube, es sei nun keine Ursache einer Säumnis, und von uns als von der Seite des Bräutigams müsse die Anregung ausgehen. Ich bat um Beschleunigung, und am folgenden Tage gingen schon unsere Briefe in den Sternenhof und zu Risach ab. In kurzem kam die Antwort zurück, und der Tag war nach unsern Vorschlägen festgesetzt. Der Sammelplatz war der Asperhof.
    Meinem Versprechen getreu, stellte ich mich nun auch bei der Fürstin. Sie war schon auf ihren Landsitz abgereist. Ich schrieb ihr daher einige Zeilen, daß ich zurück: sei, und zeigte ihr meinen Vermählungstag an. In kurzer Zeit kam eine Antwort von ihr nebst einem Päckchen, welches ein Erinnerungszeichen an meine Vermählungsfeier von ihr enthalte. Sie könne es mir nicht persönlich übergeben, weil sie seit einigen Wochen kränklich sei und sich deshalb so früh auf das Land habe begeben müssen. Das Erinnerungszeichen liege schon seit länger in Bereitschaft. Ich öffnete das Päckchen. Es enthielt eine einzige, aber sehr große und sehr schöne Perle. Die Fassung war fast keine. Nur ein Stengel und ein Goldscheibchen hafteten an der Perle, daß sie eingeknöpft werden konnte. Ich freute mich außerordentlich über die Gesinnung der edlen Fürstin, über die Trefflichkeit des Geschmackes und über dessen Sinnigkeit; denn eine Perle ist es ja in meinen Augen, die ich mir als Geschenk an meine Brust zu heften im Begriffe war. Ich schrieb eine innige Dankanwort zurück.
    Unsere Vorbereitungen waren bald gemacht, und wir reisten ab.
    »Wir können ja unsere letzten Rüstungen in meinem Landhause machen«, sagte der Vater mit heiterem Lächeln.
    Wir fuhren in den Gusterhof. Eine kleine, aber freundlich bestellte Wohnung, die der Vater vorläufig für solche Gelegenheiten hatte herrichten lassen, empfing uns. Es war ein liebliches Gefühl, in unserem eigenen, uns zugehörigen Landsitze zu sein. Der Vater schien dieses Gefühl am tiefsten zu hegen, und die Mutter freute sich dessen ungemein. Wir blieben hier so lange und vervollständigten unsere Vorbereitungen, daß wir zwei Tage vor der Vermählung in dem Asperhofe eintreffen konnten. Mathilde und Natalie waren schon anwesend, da wir ankamen. Wir begrüßten uns herzlich. Alles war in einer gewissen Spannung der Vorbereitungen. Ich konnte Natalien oft nur auf einige Augenblicke sehen. Klotilde wurde auch sofort hineingezogen. Botschaften kamen und gingen ab, Gäste und Trauzeugen trafen ein. Ich selber war in einer Art Beklemmung.
    Am Nachmittage des ersten Tages fand ich einmal Mathilden, meinen Gastfreund und Gustav im Lindengange auf und ab wandeln. Ich gesellte mich zu ihnen. Gustav verließ uns bald.
    »Wir sprachen eben davon, daß mein Sohn sich nun bald von hier entfernen und in die Welt gehen müsse,« sagte Mathilde, »habt Ihr ihn nach Eurer Reise nicht auch verändert gefunden?«
    »Er ist ein vollkommner Jüngling geworden,« erwiderte ich, »ich habe auf meinen Reisen keinen gesehen, der ihm gleich wäre. Er war ein sehr kraftvoller Knabe, und ist auch ein solcher Jüngling geworden, aber, wie ich glaube, gemilderter und sanfter. Ja sogar in seinen Augen, die noch glänzender geworden sind, erscheint mir etwas, das beinahe wie das Schmachten bei einem Mädchen ist.«
    »Es freut mich, daß Ihr das auch bemerkt habt,« sagte mein Gastfreund, »es ist so, und es ist sehr gut, wenn auch gefährlich, daß es so ist. Gerade bei sehr kraftvollen Jünglingen, deren Herz von keinem bösen Hauche angeweht worden ist, tritt in gewissen Jahren ein Schmachten ein, das noch holder wirkt als bei heranblühenden Mädchen. Es ist dies nicht Schwäche, sondern gerade Überfülle von Kraft, die so reizend wirkt, wenn sie aus den meistens dunkeln, sanftschimmernden Augen blickt und gleichsam wie ein Juwel an den unschuldigen Wimpern hängt. Solche Jünglinge dulden aber auch, wenn böse Schicksalstage kommen, mit einem Starkmute, der der Krone eines Märtyrers wert wäre, und wenn das Vaterland Opfer heischt, legen Sie ihr junges Leben

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