Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
Vom Netzwerk:
Ich hatte bei dieser Gelegenheit gelernt, mir selber das Gitter zu öffnen und zu schließen.
    Es war kein Gast da, und beim Abendessen wie beim Mittagessen waren nur mein Gastfreund, Gustav und ich. Die Gespräche waren über verschiedene gleichgültige Dinge, wir trennten uns bald, ich verfügte mich auf mein Zimmer, las noch, schrieb, entkleidete mich endlich, löschte das Licht, und begab mich zur Ruhe.
    Der nächste Morgen war wieder herrlich und heiter. Ich öffnete die Fenster, ließ Duft und Luft hereinströmen, kleidete mich an, erfrischte mich mit reichlichem Wasser zum Waschen, und ehe die Sonne nur einen einzigen Tautropfen hatte aufsaugen können, stand ich schon mit meinem Ränzlein auf dem Rücken und mit meinem Hute und dem Schwarzdornstocke in der Hand im Speisezimmer. Der alte Mann und Gustav warteten meiner bereits.
    Nachdem das Frühmahl verzehrt worden war, wobei ich trotz der Forderung mein Ränzlein nicht abgelegt hatte, dankte ich noch einmal für die große Freundlichkeit und Offenheit, mit welcher ich hier aufgenommen worden war, verabschiedete mich, und begab mich auf meinen Weg.
    Der alte Mann und Gustav begleiteten mich bis zum Gittertore des Gartens. Der Alte öffnete, um mich hinauszulassen, so wie er vorgestern geöffnet hatte, um mir den Eingang zu gestatten. Beide gingen mit mir durch das geöffnete Tor hinaus. Als wir auf dem Sandplatze vor dem Hause, angeweht von dem Dufte der Rosen, standen, sagte mein Beherberger: »Nun lebt wohl und geht glücklich Eures Weges. Wir kehren durch unser Gitter wieder in unseren Landaufenthalt und zu unseren Beschäftigungen zurück. Wenn Ihr in einer anderen Zeit wieder in die Nähe kommt und es Euch gefällt, uns zu besuchen, so werdet Ihr mit Freundlichkeit aufgenommen werden. Wenn Ihr aber gar, ohne daß Euch Euer Weg hier vorüberführt, freiwillig zu uns kommt, um uns zu besuchen, so wird es uns besonders freuen. Es ist keine Redensart, wenn ich sage, daß es uns freuen würde, ich gebrauche diese Redensarten nicht, sondern es ist wirklich so. Wenn Ihr das einmal wollt, so lebt in diesem Hause, so lange es Euch zusagt, und lebt so ungebunden, als Ihr wollt, so wie auch wir so ungebunden leben werden, als wir wollen. Wenn Ihr uns die Zeit vorher etwa durch einen Boten wissen machen könntet, wäre es gut, weil wir, wenn auch nicht oft, doch manchmal abwesend sind.«
    »Ich glaube, daß Ihr mich freundlich aufnehmen werdet, wenn ich wieder komme,« antwortete ich, »weil Ihr es sagt, und Euer Wesen mir so erscheint, daß Ihr nicht eine unwahre Höflichkeit aussprechen würdet. Ich begreife zwar den Grund nicht, weshalb Ihr mich einladet, aber da Ihr es tut, nehme ich es mit vieler Freude an, und sage Euch, daß ich im nächsten Sommer, wenn mich auch mein gewöhnlicher Weg nicht hieher führt, freiwillig in diese Gegend und in dieses Haus kommen werde, um eine kleine Zeit da zu bleiben.«
    »Tut es, und Ihr werdet sehen, daß Ihr nicht unwillkommen seid,« sagte er, »wenn Ihr auch die Zeit ausdehnt.«
    »Ich werde vielleicht das letztere tun,« antwortete ich, »und so lebet wohl.«
    »Lebt wohl.«
    Bei diesen Worten reichte er mir die Hand und drückte sie.
    Ich reichte meine Hand, da er sie losgelassen hatte, auch an den Knaben Gustav, welcher sie annahm, aber nicht sprach, sondern mich bloß mit seinen Augen freundlich ansah.
    Hierauf schieden wir, indem sie durch das Gitter zurückgingen, ich aber den Hut auf dem Haupte den Weg hinabwandelte, den ich vor zwei Tagen heraufgegangen war.
    Ich fragte mich nun, bei wem ich denn diesen Tag und die zwei Nächte zugebracht habe. Er hat um meinen Namen nicht gefragt, und hat mir den seinigen nicht genannt. Ich konnte mir auf meine Frage keine Antwort geben.
    Und so ging ich denn nun weiter. Die grünen Ähren gaben jetzt in der Morgensonne feurige Strahlen, während sie bei meinem Heraufgehen im Schatten des herandrohenden Gewitters gestanden waren.
    Ich sah mich noch einmal um, da ich zwischen den Feldern hinabging, und sah das weiße Haus im Sonnenscheine stehen, wie ich es schon öfter hatte stehen gesehen, ich konnte noch den Rosenschimmer unterscheiden, und glaubte, noch das Singen der zahlreichen Vögel im Garten vernehmen zu können.
    Hierauf wendete ich mich wieder um und ging abwärts, bis ich zu der Hecke und der Einfriedigung der Felder kam, bei der ich vorgestern von der Straße abgebogen hatte. Ich konnte mich nicht enthalten, noch einmal umzusehen. Das Haus stand jetzt nur mehr weiß

Weitere Kostenlose Bücher