Werke
über ihn verhängt. Die plötzliche Änderung Ihres ganzen Wesens hat indessen nur zu deutlich gezeigt, daß irgend ein Ereignis, das Sie uns hartnäckig verschweigen, Ihr Inneres auf furchtbare Weise erschüttert hat und nun zerstörend fortarbeitet. – Sie waren sonst ein froher unbefangener, lebenslustiger Jüngling! – Was konnte Sie denn dem Menschlichen so entfremden, daß Sie daran verzweifeln, in eines Menschen Brust könne Trost für Ihre kranke Seele zu finden sein? Sie schweigen? Sie starren vor sich hin? – Sie seufzen? Hermogen! Sie liebten sonst Ihren Vater mit seltener Innigkeit, ist es Ihnen aber jetzt unmöglich geworden, ihm Ihr Herz zu erschließen, so quälen Sie ihn wenigstens nicht durch den Anblick Ihres Rocks, der auf den für ihn entsetzlichen Entschluß hindeutet. Ich beschwöre Sie, Hermogen, werfen Sie diese verhaßte Kleidung ab. Glauben Sie mir, es liegt eine geheimnisvolle Kraft in diesen äußerlichen Dingen; es kann Ihnen nicht mißfallen, denn ich glaube von Ihnen ganz verstanden zu werden, wenn ich in diesem Augenblick, freilich auf fremdartig scheinende Weise, der Schauspieler gedenke, die oft, wenn sie sich in das Kostüm geworfen, wie von einem fremden Geist sich angeregt fühlen und leichter in den darzustellenden Charakter eingehen. Lassen Sie mich, meiner Natur gemäß, heitrer von der Sache sprechen, als sich sonst wohl ziemen würde. – Meinen Sie denn nicht, daß, wenn dieses lange Kleid nicht mehr Ihren Gang zur düstern Gravität einhemmen würde, Sie wieder rasch und froh dahin schreiten, ja laufen, springen würden wie sonst? Der blinkende Schein der Epauletts, die sonst auf Ihren Schultern prangten, würde wieder jugendliche Glut auf diese blassen Wangen werfen, und die klirrenden Sporen würden wie liebliche Musik dem muntern Rosse ertönen, das Ihnen entgegenwieherte, vor Lust tanzend und den Nacken beugend dem geliebten Herrn. Auf, Baron! – Herunter mit dem schwarzen Gewande, das Ihnen nicht ansteht! – Soll Friedrich Ihre Uniform hervorsuchen?«
Der Alte stand auf und wollte fortgehen, der Jüngling fiel ihm in die Arme. »Ach, Sie quälen mich, guter Reinhold!« rief er mit matter Stimme, »Sie quälen mich unaussprechlich! – Ach, je mehr Sie sich bemühen, die Saiten in meinem Innern anzuschlagen, die sonst harmonisch erklangen, desto mehr fühle ich, wie des Schicksals eherne Faust mich ergriffen, mich erdrückt hat, so daß, wie in einer zerbrochenen Laute, nur Mißtöne in mir wohnen!« – »So scheint es Ihnen, lieber Baron,« fiel der Alte ein, »Sie sprechen von einem ungeheuern Schicksal, das Sie ergriffen, worin das bestanden, verschweigen Sie, dem sei aber, wie ihm wolle, ein Jüngling, so wie Sie, mit innerer Kraft, mit jugendlichem Feuermute ausgerüstet, muß vermögen, sich gegen des Schicksals eherne Faust zu wappnen, ja er muß, wie durchstrahlt von einer göttlichen Natur, sich über sein Geschick erheben und so, dies höhere Sein in sich selbst erweckend und entzündend, sich emporschwingen über die Qual dieses armseligen Lebens! Ich wüßte nicht, Baron, welch ein Geschick denn imstande sein sollte, dies kräftige innere Wollen zu zerstören.« – Hermogen trat einen Schritt zurück, und den Alten mit einem düsteren, wie im verhaltenen Zorn glühenden Blicke, der etwas Entsetzliches hatte, anstarrend, rief er mit dumpfer, hohler Stimme: »So wisse denn, daß ich selbst das Schicksal bin, das mich vernichtet, daß ein ungeheures Verbrechen auf mir lastet, ein schändlicher Frevel, den ich abbüße in Elend und Verzweiflung. – Darum sei barmherzig und flehe den Vater an, daß er mich fortlasse in die Mauern!« – »Baron,« fiel der Alte ein, »Sie sind in einer Stimmung, die nur dem gänzlich zerrütteten Gemüte eigen, Sie sollen nicht fort, Sie dürfen durchaus nicht fort. In diesen Tagen kommt die Baronesse mit Aurelien, die müssen Sie sehen.« Da lachte der Jüngling wie in furchtbarem Hohn und rief mit einer Stimme, die durch mein Innres dröhnte: »Muß ich? – Muß ich bleiben? – Ja, wahrhaftig, Alter, du hast recht, ich muß bleiben, und meine Buße wird hier schrecklicher sein als in den dumpfen Mauern.« – Damit sprang er fort durch das Gebüsch und ließ den Alten stehen, der, das gesenkte Haupt in die Hand gestützt, sich ganz dem Schmerz zu überlassen schien. »Gelobt sei Jesus Christus!« sprach ich, zu ihm hinantretend. – Er fuhr auf, er sah mich ganz verwundert an, doch schien er sich bald auf meine
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