Werke
Die beiden Winter brachten wir in der Hauptstadt zu, aber auch hier bewies die Baronesse dem Gemahl so viel unbegrenzte Ehrfurcht, so viel Aufmerksamkeit für seine leisesten Wünsche, daß der giftige Neid verstummen mußte und keiner der jungen Herren, die sich schon freien Spielraum für ihre Galanterie bei der Baronesse geträumt hatten, sich auch die kleinste Glosse erlaubte. Im letzten Winter mochte ich auch wieder der einzige sein, der, ergriffen von der alten, kaum verwundenen Idiosynkrasie, wieder arges Mißtrauen zu hegen anfing.
Vor der Verbindung mit dem Baron war der Graf Viktorin, ein junger, schöner Mann, Major bei der Ehrengarde und nur abwechselnd in der Hauptstadt, einer der eifrigsten Verehrer Euphemiens und der einzige, den sie oft wie unwillkürlich, hingerissen von dem Eindruck des Moments, vor den andern auszeichnete. Man sprach einmal sogar davon, daß wohl ein näheres Verhältnis zwischen ihm und Euphemien stattfinden möge, als man es nach dem äußern Anschein vermuten solle, aber das Gerücht verscholl ebenso dumpf, als es entstanden. Graf Viktorin war eben den Winter wieder in der Hauptstadt und natürlicherweise in Euphemiens Zirkeln, er schien sich aber nicht im mindesten um sie zu bemühen, sondern vielmehr sie absichtlich zu vermeiden. Demunerachtet war es mir oft, als begegneten sich, wenn sie nicht bemerkt zu werden glaubten, ihre Blicke, in denen inbrünstige Sehnsucht, lüsternes, glühendes Verlangen wie verzehrendes Feuer brannte. Bei dem Gouverneur war eines Abends eine glänzende Gesellschaft versammelt, ich stand in ein Fenster gedrückt, so daß mich die herabwallende Draperie des reichen Vorhangs halb versteckte, nur zwei bis drei Schritte vor mir stand Graf Viktorin. Da streifte Euphemie, reizender gekleidet als je und in voller Schönheit strahlend, an ihm vorüber; er faßte, so daß es niemand als gerade ich bemerken konnte, mit leidenschaftlicher Heftigkeit ihren Arm, – sie erbebte sichtlich; ihr ganz unbeschreiblicher Blick – es war die glutvollste Liebe, die nach Genuß dürstende Wollust selbst – fiel auf ihn. Sie lispelten einige Worte, die ich nicht verstand. Euphemie mochte mich erblicken; sie wandte sich schnell um, aber ich vernahm deutlich die Worte: ›Wir werden bemerkt!‹
Ich erstarrte vor Erstaunen, Schrecken und Schmerz! – Ach, wie soll ich Ihnen, ehrwürdiger Herr, denn mein Gefühl beschreiben! – Denken Sie an meine Liebe, an meine treue Anhänglichkeit, mit der ich dem Baron ergeben war – an meine böse Ahnungen, die nun erfüllt wurden; denn die wenigen Worte hatten es mir ja ganz erschlossen, daß ein geheimes Verhältnis zwischen der Baronesse und dem Grafen stattfand. Ich mußte wohl vorderhand schweigen, aber die Baronesse wollte ich bewachen mit Argusaugen und dann bei erlangter Gewißheit ihres Verbrechens die schändlichen Bande lösen, mit denen sie meinen unglücklichen Freund umstrickt hatte. Doch wer vermag teuflischer Arglist zu begegnen; umsonst, ganz umsonst waren meine Bemühungen, und es wäre lächerlich gewesen, dem Baron das mitzuteilen, was ich gesehen und gehört, da die Schlaue Auswege genug gefunden haben würde, mich als einen abgeschmackten, törichten Geisterseher darzustellen. –
Der Schnee lag noch auf den Bergen, als wir im vergangenen Frühling hier einzogen, demunerachtet machte ich manchen Spaziergang in die Berge hinein; im nächsten Dorfe begegne ich einem Bauer, der in Gang und Stellung etwas Fremdartiges hat, als er den Kopf umwendet, erkenne ich den Grafen Viktorin, aber in demselben Augenblick verschwindet er hinter den Häusern und ist nicht mehr zu finden. – Was konnte ihn anders zu der Verkleidung vermocht haben, als das Verständnis mit der Baronesse! – Eben jetzt weiß ich gewiß, daß er sich wieder hier befindet, ich habe seinen Jäger vorüberreiten gesehn, unerachtet es mir unbegreiflich ist, daß er die Baronesse nicht in der Stadt aufgesucht haben sollte! – Vor drei Monaten begab es sich, daß der Gouverneur heftig erkrankte und Euphemien zu sehen wünschte, sie reiste mit Aurelien augenblicklich dahin, und nur eine Unpäßlichkeit hielt den Baron ab, sie zu begleiten. Nun brach aber das Unglück und die Trauer ein in unser Haus, denn bald schrieb Euphemie dem Baron, wie Hermogen plötzlich von einer oft in wahnsinnige Wut ausbrechenden Melancholie befallen, wie er einsam umherirre, sich und sein Geschick verwünsche und wie alle Bemühungen der Freunde und der Ärzte bis jetzt
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