Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
Vom Netzwerk:
doch,« nahm ich das Wort – »doch wurden nur schwache Umrisse eines mit lebendigen Farben ausgeführten Meisterwerks gegeben.«
    »Urteile ich richtig? – Sie sind kein Berliner!«
    »Ganz richtig; nur abwechselnd halte ich mich hier auf.«
    »Der Burgunder ist gut, aber es wird kalt.«
    »So lassen Sie uns ins Zimmer gehen und dort die Flasche leeren.«
    »Ein guter Vorschlag. – Ich kenne Sie nicht, dafür kennen Sie mich aber auch nicht. Wir wollen uns unsere Namen nicht abfragen: Namen sind zuweilen lästig. Ich trinke Burgunder, er kostet mich nichts, wir befinden uns wohl beieinander, und damit gut!«
    Er sagte dies alles mit gutmütiger Herzlichkeit. Wir waren ins Zimmer getreten; als er sich setzte, schlug er den Überrock auseinander, und ich bemerkte mit Verwunderung, daß er unter demselben eine gestickte Weste mit langen Schößen, schwarzsamtne Beinkleider und einen ganz kleinen, silbernen Degen trug. Er knöpfte den Rock sorgfältig wieder zu.
    »Warum fragten Sie mich, ob ich ein Berliner sei?« begann ich.
    »Weil ich in diesem Falle genötigt gewesen wäre, Sie zu verlassen.«
    »Das klingt rätselhaft.«
    »Nicht im mindesten, sobald ich Ihnen sage, daß ich – nun, daß ich ein Komponist bin.«
    »Noch immer errate ich Sie nicht.«
    »So verzeihen Sie meinen Ausruf vorhin; denn ich sehe, Sie verstehen sich ganz und gar nicht auf Berlin und auf Berliner.«
    Er stand auf und ging einigemal heftig auf und ab; dann trat er ans Fenster und sang kaum vernehmlich den Chor der Priesterinnen aus der »Iphigenia in Tauris«, indem er dann und wann bei dem Eintreten der Tutti an die Fensterscheiben klopfte. Mit Verwundern bemerkte ich, daß er gewisse andere Wendungen der Melodien nahm, die durch Kraft und Neuheit frappierten. Ich ließ ihn gewähren. Er hatte geendigt und kehrte zurück zu seinem Sitz. Ganz ergriffen von des Mannes sonderbarem Benehmen und den phantastischen Äußerungen eines seltenen musikalischen Talents, schwieg ich. Nach einer Weile fing er an:
    »Haben Sie nie komponiert?«
    »Ja; ich habe mich in der Kunst versucht; nur fand ich alles, was ich, wie mich dünkte, in Augenblicken der Begeisterung geschrieben hatte, nachher matt und langweilig; da ließ ich’s denn bleiben.«
    »Sie haben unrecht getan; denn schon, daß Sie eigne Versuche verwarfen, ist kein übles Zeichen Ihres Talents. Man lernt Musik als Knabe, weil’s Papa und Mama so haben wollen; nun wird darauf los geklimpert und gegeigt; aber unvermerkt wird der Sinn empfänglicher für Melodie. Vielleicht war das halb vergessene Thema eines Liedchens, welches man nun anders sang, der erste eigne Gedanke, und dieser Embryo, mühsam genährt von fremden Kräften, genas zum Riesen, der alles um sich her aufzehrte und in sein Mark und Blut verwandelte! – Ha, wie ist es möglich, die tausenderlei Arten, wie man zum Komponieren kommt, auch nur anzudeuten! – Es ist eine breite Heerstraße, da tummeln sich alle herum und jauchzen und schreien: ›Wir sind Geweihte! wir sind am Ziel!‹ – Durchs elfenbeinerne Tor kommt man ins Reich der Träume; wenige sehen das Tor einmal, noch wenigere gehen durch! – Abenteuerlich sieht es hier aus. Tolle Gestalten schweben hin und her, aber sie haben Charakter – eine mehr wie die andere. Sie lassen sich auf der Heerstraße nicht sehen, nur hinter dem elfenbeinernen Tor sind sie zu finden. Es ist schwer, aus diesem Reiche zu kommen; wie vor Alzinens Burg versperren die Ungeheuer den Weg – es wirbelt – es dreht sich – viele verträumen den Traum im Reiche der Träume – sie zerfließen im Traum – sie werfen keinen Schatten mehr, sonst würden sie am Schatten gewahr werden den Strahl, der durch dies Reich fährt; aber nur wenige, erweckt aus dem Traume, steigen empor und schreiten durch das Reich der Träume – sie kommen zur Wahrheit – der höchste Moment ist da: die Berührung mit dem Ewigen, Unaussprechlichen! – Schaut die Sonne an, sie ist der Dreiklang, aus dem die Akkorde, Sternen gleich, herabschießen und Euch mit Feuerfaden umspinnen. – Verpuppt im Feuer liegt Ihr da, bis sich Psyche emporschwingt in die Sonne.« –
    Bei den letzten Worten war er aufgesprungen, warf den Blick, warf die Hand in die Höhe. Dann setzte er sich wieder und leerte schnell das ihm eingeschenkte Glas. Es entstand eine Stille, die ich nicht unterbrechen mochte, um den außerordentlichen Mann nicht aus dem Geleise zu bringen. Endlich fuhr er beruhigter fort:
    »Als ich im Reich der

Weitere Kostenlose Bücher