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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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durchfuhr ihn, als er seine Augen über die Watten schweifen ließ; dort, von Nordwest herauf, sah er plötzlich wieder, und schärfer und tiefer ausgewühlt, das gespenstische neue Bett des Prieles; so sehr er seine Augen anstrengte, es wollte nicht mehr weichen.
    Als er nach Haus kam, ergriff Elke seine Hand. »Was hast du, Hauke?« sprach sie, als sie in sein düstres Antlitz sah; »es ist doch kein neues Unheil? Wir sind jetzt so glücklich; mir ist, du hast nun Frieden mit ihnen allen!«
    Diesen Worten gegenüber vermochte er seine verworrene Furcht nicht in Worten kundzugeben.
    »Nein, Elke«, sagte er, »mich feindet niemand an; es ist nur ein verantwortlich Amt, die Gemeinde vor unseres Herrgotts Meer zu schützen.«
    Er machte sich los, um weiteren Fragen des geliebten Weibes auszuweichen. Er ging in Stall und Scheuer, als ob er alles revidieren müsse; aber er sah nichts um sich her; er war nur beflissen, seinen Gewissensbiß zur Ruhe, ihn sich selber als eine krankhaft übertriebene Angst zur Überzeugung zu bringen.
    – – Das Jahr, von dem ich Ihnen erzähle", sagte nach einer Weile mein Gastfreund, der Schulmeister, "war das Jahr 1756, das in dieser Gegend nie vergessen wird; im Hause Hauke Haiens brachte es eine Tote. Zu Ende des Septembers war in der Kammer, welche ihr in der Scheune eingeräumt war, die fast neunzigjährige Trin’ Jans am Sterben. Man hatte sie nach ihrem Wunsche in den Kissen aufgerichtet, und ihre Augen gingen durch die kleinen bleigefaßten Scheiben in die Ferne; es mußte dort am Himmel eine dünnere Luftschicht über einer dichteren liegen, denn es war hohe Kimmung, und die Spiegelung hob in diesem Augenblick das Meer wie einen flimmernden Silberstreifen über den Rand des Deiches, so daß es blendend in die Kammer schimmerte; auch die Südspitze von Jeverssand war sichtbar.
    Am Fußende des Bettes kauerte die kleine Wienke und hielt mit der einen Hand sich fest an der ihres Vaters, der daneben stand. In das Antlitz der Sterbenden grub eben der Tod das hippokratische Gesicht, und das Kind starrte atemlos auf die unheimliche, ihr unverständliche Verwandlung des unschönen, aber ihr vertrauten Angesichts.
    »Was macht sie? Was ist das, Vater?« flüsterte sie angstvoll und grub die Fingernägel in ihres Vaters Hand.
    »Sie stirbt!« sagte der Deichgraf.
    »Stirbt!« wiederholte das Kind und schien in verworrenes Sinnen zu verfallen.
    Aber die Alte rührte noch einmal ihre Lippen: »Jins! Jins!« Und kreischend, wie ein Notschrei, brach es hervor, und ihre knöchernen Arme streckten sich gegen die draußen flimmernde Meeresspiegelung. »Hölp mi! Hölp mi! Du bist ja bawen Water... Gott gnad de annern!«
    Ihre Arme sanken, ein leises Krachen der Bettstatt wurde hörbar; sie hatte aufgehört zu leben.
    Das Kind tat einen tiefen Seufzer und warf die blassen Augen zu ihrem Vater auf. »Stirbt sie noch immer?« frug es.
    »Sie hat es vollbracht!« sagte der Deichgraf und nahm das Kind auf seinen Arm. »Sie ist nun weit von uns, beim lieben Gott.«
    »Beim lieben Gott!« wiederholte das Kind und schwieg eine Weile, als müsse es den Worten nachsinnen. »Ist das gut, beim lieben Gott?«
    »Ja, das ist das Beste.« – In Haukes Innerm aber klang schwer die letzte Rede der Sterbenden. ›Gott gnad de annern!‹ sprach es leise in ihm. ›Was wollte die alte Hexe? Sind denn die Sterbenden Propheten – –?‹
    – – Bald nachdem Trin’ Jans oben bei der Kirche eingegraben war, begann man immer lauter von allerlei Unheil und seltsamem Geschmeiß zu reden, das die Menschen in Nordfriesland erschreckt haben sollte; und sicher war es: am Sonntage Lätare war droben von der Turmspitze der goldne Hahn durch einen Wirbelwind herabgeworfen worden; auch das war richtig: im Hochsommer fiel, wie ein Schnee, ein groß Geschmeiß vom Himmel, daß man die Augen davor nicht auftun konnte und es hernach fast handhoch auf den Fennen lag, und hatte niemand je so was gesehen. Als aber nach Ende September der Großknecht mit Korn und die Magd Ann Grete mit Butter in die Stadt zu Markt gefahren waren, kletterten sie bei ihrer Rückkunft mit schreckensbleichen Gesichtern von ihrem Wagen. »Was ist? Was habt ihr?« riefen die andern Dirnen, die hinausgelaufen waren, da sie den Wagen rollen hörten.
    Ann Grete in ihrem Reiseanzug trat atemlos in die geräumige Küche. »Nun, so erzähl doch!« riefen die Dirnen wieder, »wo ist das Unglück los?«
    »Ach, unser lieber Jesus wolle uns behüten!« rief Ann

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