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Werwelt 01 - Der Findling

Werwelt 01 - Der Findling

Titel: Werwelt 01 - Der Findling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
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ist.«
    »Ich glaub, ich behalt die Gedächtnisstörung noch eine Weile«, erklärte Robert und rutschte vom Stuhl. »Darf ich jetzt rausgehen und mit Biff spielen?«

    Martin pflegte Robert auf dem Hof herumzutragen, um ihm die Scheunen zu zeigen, die Kornkrippen, die Hühnerställe und die Brutkästen, die Melkerei und den Werkzeugschuppen; und dabei redete und erklärte er in leisen Murmeltönen, als wäre das alles ein Geheimnis zwischen ihm und Robert, und als würde all dies eines Tages dem kleinen Jungen gehören. Robert liebte es, auf dem kräftigen Arm dahinzureiten, der ihn hielt, als wäre er ein Falke, der zum Flug abgerichtet wird. Mit seinem kleinen Stimmchen überschrie er das Rattern des Traktors, als sie das neue Maisfeld pflügten, und stellte immer neue Fragen, denn sein Geist war leer und bereit, die ganze Welt aufzunehmen. Der Bauer kniff dann blinzelnd die Augen zusammen, so daß sie beinahe im Netzwerk der Falten verschwanden, und lachte über all die Fragen und beantwortete sie alle.
    Am frühen Morgen pflegte Robert mit einem kleinen Eimer, den der Bauer irgendwo noch gefunden hatte, zum Melken in den Stall zu gehen und versuchte sich selbst in dieser Kunst. Er bearbeitete dann die hinteren Zitzen, während der alte Bauer, auf seinem einbeinigen Melkschemel schräg nach vorn gekippt, den grauen Kopf an der Flanke der Kuh, in rhythmischer Bewegung die vorderen Zitzen zog und die großen Eimer mit schäumender warmer Milch füllte, nach der schreiend die Katzen gierten. Und manchmal hockte auch eine Katze geduldig hinter dem hin und her schwingenden Schwanz der Kuh, bis Martin plötzlich eine Zitze schwenkte und der Katze einen langen Strahl schäumender Milch direkt ins Maul spritzte. Dann sprang die Katze auf, ließ es sich gefallen, daß die Milch in ihre Augen und Ohren, auf Schnurrbart und Brust troff, nur, um etwas davon auf ihre Zunge zu bekommen.
    Und Robert hüpfte auf und nieder und lachte, bis ihm die Tränen kamen vor Wonne über die Katzen, die von weißer Milch tropften, und über den ebenfalls leise lachenden Martin, der weiter an die rote Flanke der Kuh gelehnt blieb, die gerade so eingebuchtet war, daß sein Kopf genau hineinpaßte, während er molk. Alles, dachte Robert, paßte genau zusammen; die Nester hatten gerade die richtige Größe für die Küken, die Kühe paßten genau in ihre Boxen und wenn sie auf die Weide trotteten, dann in einer langen Reihe, die genau mit dem Trampelpfad übereinstimmte, den sie ausgetreten hatten. Alles schien Robert genau so zu sein, wie es sein mußte, selbst die Gerüche nach Mist und Schafkot und Fliegengift; all die scharfen Gerüche des Bauernhofs schienen genau hierher zu gehören, in die weißgetünchten Scheunen und Stallungen, die sich so sauber und adrett um den großen Hof mit seinem hartgetrampelten Boden aus nackter Erde gruppierten.
    Eines Morgens, als Robert spät in seinem Nachthemd herunterkam, sträubten sich ihm die Haare, und ich hätte beinahe die Gestalt gewechselt: Aus dem Wohnzimmer kamen neue Stimmen. Dazu ein seltsames, rhythmisches Gefolge von Tönen, das die Stimmen begleitete. Ich hatte nie zuvor Musik gehört, so wenig wie Robert, aber bis dahin hatte ich mich auch wenig um das Tun und Treiben der Menschen gekümmert. Mehrere Stimmen kletterten zu hohen Tönen hinauf, dann wieder herunter, wobei sie gleichzeitig zu lachen und zu schreien schienen. Die Wörter, die sie gemeinsam sprachen, klangen lallend und gedehnt. Schrilles Gekratze und Gepfeife begleitete die Stimmen wie im Gleichschritt. »Wir freuen uns, euch zu sehen!« schrien sie, und dann brach die Musik ab, und jemand, der so sprach, als hätte er plötzlich entdeckt, daß Frühling ist, rief: »Willkommen zum Frühstücksklub!« Darauf gab es lautes wirres Gelächter und Hurrageschrei. Robert war entsetzt, daß sich das alles im Wohnzimmer abspielte, und präsentierte sich Tante Cat, die in der Küche ganz gelassen einen Brotteig knetete, mit unverhohlen verschrecktem Gesicht.
    »Guten Morgen, mein Kleiner«, sagte sie. Ihre Arme waren bis zu den Ellbogen weiß vom Mehl. »Ja, was ist denn, Robert? Stimmt etwas nicht?« fragte sie, als sie sein bestürztes Gesicht sah.
    »Da ist jemand drin«, antwortete Robert und sah zum Wohnzimmer hinüber, wo die Stimmen gerade ihre Absicht kundtaten, um den Frühstückstisch herumzumarschieren. Die Stimmen klangen dumpf, so, als sprächen sie durch einen schmalen Spalt.
    Tante Cat blickte eine ganze Weile stumm

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