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Werwelt 01 - Der Findling

Werwelt 01 - Der Findling

Titel: Werwelt 01 - Der Findling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
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Schnitzel grünen Rhabarber geschluckt. Es kommt ganz selten vor, daß ich direkt beteiligt bin, wenn ich meine Gestalt gewechselt habe. Meist bin ich ein losgelöster Beobachter, zum Teil, weil meine mir natürlich zugehörigen Sinne ruhen und ich das Geschehen ziemlich langweilig finde, und zum Teil auch, weil das physische Wesen der Verwandlung solcher Art zu sein schien, daß ich nicht eingreifen konnte, ohne eine Rückverwandlung in meine natürliche Gestalt zu riskieren. Das Bier aber hatte etwas an sich, das für mich völlig neu und erregend war, es rann mir, genau wie Robert, mit einem so lustvollen Prickeln durch die Adern, daß ich beinahe vor den Augen des Bauern und seiner Frau in meine natürliche Gestalt geworfen worden wäre. Offenbar geriet ich ein wenig ins Flimmern, denn ich hörte, wie Tante Cat lachte und sagte: »Schau dir doch an, wie es den armen Kleinen schaudert. Komm, Martin, nimm es ihm weg.«
    Ich umklammerte das Glas fester und spülte den Rest des Biers hinunter, ehe der Bauer mir das Glas aus der Hand nehmen konnte.
    »Er mußte es einfach haben«, stellte Martin lachend fest und nahm das leere Glas.
    Ich hörte die Worte wie aus der Ferne, während sich der Alkohol augenblicklich in mir ausbreitete und ein starkes Gefühl köstlichen Wohlbefindens auslöste. Ich wollte mehr davon. Doch Robert tränten die Augen, und Speichel rann aus seinem Mund. Sein Gesicht wurde weiß, und eine krampfartige Anwandlung pflanzte sich wie eine Welle durch seinen Körper fort. Sie erreichte seinen Magen genau in dem Moment, als Martin dem Jungen sein großes blaues Taschentuch auf den Mund drückte. Als der zweite Anfall kam, hatten Robert und Martin es gemeinsam zum Spültisch in der Küche geschafft, wo Robert das ganze Bier wieder ausspie, das mir solchen Hochgenuß gebracht hatte. Obwohl ihn schon bei dem Gedanken ekelte, auch nur einen weiteren Tropfen Bier zu trinken, stellte Robert später auf mein Drängen fest, daß Martin die braunen Flaschen im Milchhaus verwahrte, hinter den großen Zehn-Gallonen-Milcheimern.

2

    Die schmale Sichel des alten Mondes wandert langsam den weiten Himmel hinunter. Es ist warm und angenehm, im Gras hinter dem Milchhaus zu sitzen, wo ich meine dritte Flasche Bier trinke. Sie gehören alle mir, mir allein. Wie in einem Nest liegen die braunen, länglichen, eiähnlichen Flaschen zwischen meinen Schenkeln. Zum Glück bin ich ein langsamer Trinker; zwei Flaschen genügen nämlich, um mein Urteilsvermögen zu lähmen und mich zum albernsten Geschöpf in der gesamten Natur zu machen. Ich lache und wälze mich im nassen Gras, weil es so ein angenehmes Gefühl ist, zu spüren, wie das Blut prickelnd von einer Seite meines alkoholberauschten Körpers zur anderen schießt. Ich rolle mich auf die andere Seite, und es schießt zurück, Gefühlloses beginnt zu prickeln, Prickelndes wird gefühllos. Ich wälze mich und wälze mich und scharre das Gras auf und lache, bis mir der Schaum vor dem Maul steht.
    Die Nordmeyers haben zwei Hofhunde; der eine ist eine große Springer-Spanielhündin namens Josie, der andere ein schwachsinniger Schäferhund namens Biff. Josie geht mir aus dem Weg; sobald ich auftauche, kriecht sie unter das Bruthaus. Biff hat sein Leben lang überhaupt nichts gelernt. Er ist so dumm, daß er die Kletten frißt, die er sich aus dem Fell zupft, weil er sich nicht vorstellen kann, daß man mit Sachen, die man im Maul hat, auch etwas anderes tun könnte. Er hört etwas – mich! – hinter dem Milchhaus, und während Josie sich in ihrem Versteck verkriecht, höre ich, wie er sich auf Zehenspitzen heranschleicht, um mich zu erschrecken. Ich liege flach im Gras, alle viere von mir gestreckt wie ein Bärenfell, das Maul weit aufgerissen. Steifbeinig, mit typisch männlichem Imponiergehabe, springt er hinter dem Milchhaus hervor, in der Erwartung, einen Nachbarhund vorzufinden. Er hat wirklich überhaupt keine Nase. Über mein weit aufgerissenes Maul hinweg sehe ich ihn an und bemühe mich, nicht zu lachen.
    Biff steht stocksteif da, verblüfft über das Bärenfell auf dem Rasen. Schrittchen um Schrittchen nähert er sich, den Hals weit vorgestreckt, fährt zurück, als er sich einbildet, ein Geräusch zu hören, macht den Hals wieder lang, um meine ausgestreckte Tatze zu beschnüffeln. Ganz plötzlich klappe ich mit lautem Knall mein Maul zu und packe ihn bei der Kehle. Er kann keinen Laut hervorbringen und ringelt sich zusammen wie ein Salamander, in dem

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