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Wie Die Iren Die Zivilisation Retteten

Wie Die Iren Die Zivilisation Retteten

Titel: Wie Die Iren Die Zivilisation Retteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Cahill
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zurückzuge-ben, indem er mit ihr spricht und betet. Gegen sich selbst ist er hart; wie Jakob schläft er auf einem Kissen aus Stein. Er lebt im Einklang mit der Natur, spricht zu den Tieren des Waldes und erlebt die erste überlieferte Begegnung mit dem Ungeheuer von Loch Ness (das einen Blick auf Columcilles erhobenen Arm wirft und schnell wieder im See verschwindet).
    Einmal kehrte er sogar nach Irland zurück (bei einem irischen Heiligen sollte man nie nie sagen), um vor der Nationalversammlung in Drumceatt darum zu bitten, daß das irische Königreich Dalriada (zu dem das irische Schottland und Teile von Ulster gehören und dem
    Columcille Treue schuldete) keinen Tribut an den Hochkönig von
    Tara entrichten müsse. Columcille setzte sich durch; kein Mann konnte sich ihm entgegenstellen. Auf der Tagesordnung stand außerdem
    ein Vorschlag, die Barden in die Schranken zu weisen – eine aufrührerische Bande, deren Satiren tödliche Wirkung hatten und die sich
    dreist Vorrechte anmaßten, wo immer sie ihre Zelte aufschlugen. Die Dichtkunst, sagte Columcille, selbst der beliebteste Dichter seiner Zeit, sei ein essentieller Bestandteil des irischen Lebens: Irland wäre ohne sie nicht Irland. Verbannt die Barden nicht, sorgt nur dafür, daß sie ihren Kreis erweitern und andere lehren, was sie wissen. Ein unwiderstehlicher Vorschlag von einem unwiderstehlichen Humanisten.
    Als Columcilles Vorschlag von der Versammlung angenommen
    wurde, strömten zwölfhundert fröhliche Barden in die Zusammen-
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    kunft und sangen ein Loblied auf den Heiligen, der sein Gesicht in seinem weißen Wollmantel verbarg, um seine Schamesröte und seine
    Rührung zu verdecken.
    Gegen Ende seines Lebens hatte er Todesahnungen. Eines Tages
    verabschiedete er sich von seinen Brüdern, die auf den Feldern arbeiteten, und von seinem geliebten alten Packpferd, das die Mönche zum Milchtransport einsetzten. Seine letzte Aufgabe auf Erden sollte das Kopieren eines Manuskriptes sein. Als er am 34. Psalm schrieb, hielt er nach den Worten »Aber, die den Herrn suchen, haben keinen
    Mangel an irgendeinem Gut« inne. Er ließ die Feder sinken und
    flüsterte: »Baithene soll den Rest schreiben. « In dieser Nacht erhob sich Columcille wie immer von seinem spartanischen Lager, um mit
    seinen Brüdern die Mittemachtsmesse zu singen. Als die Mönche die dunkle Kirche betraten, fanden sie Columcille in Ekstase vor dem
    Altar liegen. Er segnete sie alle und starb.
    »Er war«, schrieb die britische Historikerin Kathleen Hughes, »ein Mann von höchstem Adel, mit all den natürlichen Vorteilen der
    Macht, die ihm dieser Umstand in einer aristokratischen Gesellschaft verlieh. Er hatte die Gabe des zweiten Gesichts, verbunden mit der Fähigkeit, andere durch die Kraft seiner Persönlichkeit zu lenken. Er war ein gewitzter Menschenkenner und zugleich ein warmherziger,
    mitfühlender Mann. Seine Mönche, die Laien, selbst die Tiere spürten seine Anziehungskraft. Er konnte einschüchtern, konnte trösten, er konnte Freude verbreiten.« Dieser Krieger-Mönch, dieser homme de fer, wie der französische Monasterienhistoriker Jean Decarreaux ihn
    nannte, hatte aufgrund seiner einzigartigen Bestimmung unter den
    Schotten und Pikten von Nordbritannien eine gebildete christliche Gesellschaft geschaffen. Und nun, nach seinem Tod, begann eine neue Generation unerschrockener Söhne unter der Leitung von Columcilles geistigem Haupterben Aidan, dieselbe Verwandlung unter den heidi-schen Angeln von Northumbrien zu vollziehen – ausgehend von dem
    neuen (aber bald legendären) Inselkloster von Lindisfarne. Columcille hatte Schottland getauft und lesen gelehrt, und Aidan sollte das
    gleiche in ganz Nordengland tun.

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    So wie der entschlossene Krieger Cuchulainn als Vorbild prähistorischer irischer Männlichkeit gedient hatte, wurde Columcille nun zum Vorbild für alle, die den ewigen Sieg er- ringen wollten. Mönche
    schwärmten in alle Himmelsrichtungen aus, in ein ruhmreiches und
    heroisches Exil um Christi willen. Sie waren natürlich Krieger-
    Mönche und hatten keine Angst vor den Ungeheuern, denen sie
    begegnen könnten. Manche gingen, wie Columcille, nach Norden.
    Andere, wie Brandan der Navigator, zogen nordwestlich, besuchten
    Island, Grönland und Nordamerika und nahmen mitten auf dem
    Ozean auf dem Rücken eines Wales ihr Mahl zu sich. Andere fuhren
    in Booten ohne Ruder, um ihr Schicksal ganz in Gottes Hände zu
    legen. Viele der Auswanderer fanden den Weg

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