Wie Feuer im Regen
das zu verarbeiten.“
„Weißt du, ich könnte auch nach Europa gehen. Dann wäre es leichter, ab und zu nach ihr zu sehen.“
„ Warum sagst du mir nicht einfach, was du willst, Marc? Du warst noch nie einer, der um den heißen Brei herumredet.“
„ Ich will auch weg von hier. Weit weg. Für lange Zeit.“
„ Also gut“, Marcus überlegte, „Wenn du in England zur Universität gehen würdest, könntest du nach deinem Abschluss unsere Niederlassung in London leiten. Solange du willst. Aber ich erwarte, dass du eines Tages hierher zurück kommst, um die Gesamtleitung des Konzerns zu übernehmen.“
„ Und wenn ich etwas anders machen möchte?“
„ Das sind die Bedingungen, zu denen ich dich weiterhin unterstütze und die dir in Europa ein sorgenfreies Leben ermöglichen werden. Mir ist klar, dass du weg willst– ich würde auch am liebsten untertauchen, aber das kann ich nicht, ich habe Pflichten. Und auch von dir erwarte ich, dass du etwas Sinnvolles mit deiner Zeit anfängst. Du wirst studieren und danach arbeiten und später einmal Harper Mining übernehmen. Du bist mein einziger Sohn.“
„ Und Violet darf in die Schweiz gehen?“
„ Ja.“ Marcus stand auf und streckte ihm die Hand hin. Nach kurzem Zögern schlug Marc ein. Dann umarmten sie sich.
„ Es tut mir unendlich leid, dass ihr Kinder das miterleben müsst“, flüsterte Marcus, „Aber unsere Familie wird gestärkt aus dieser Krise hervorgehen. Wir sind Harpers, wir schaffen alles!“
Zwei Wochen später flogen Marc und Violet First Class nach Frankfurt, wo sie sich unter Tränen voneinander verabschiedeten und vereinbarten, sich monatlich zu treffen. Dann stieg Violet in das Flugzeug nach Zürich und Marc in das nach London und beide waren erleichtert, in die Anonymität eines neuen Kontinents einzutauchen und Australien für lange Zeit hinter sich zu lassen.
***
„ Es ist doch vollkommen egal, dass er schwul ist!“ schrie James Harkdale, „Er ist dein Sohn!“
Wütend lief er im Kaminzimmer auf und ab. Das Geräusch seiner Schritte wurde von dem riesigen Perserteppich verschluckt, der das edle Parkett beinahe vollständig bedeckte.
Sein Vater saß unbeeindruckt im Sessel vor dem Feuer, die Füße auf einem mit Samt bespannten Schemel und zog an seiner Zigarre.
„ Das ist es nicht, James! Ich hinterlasse doch nicht all das hier einer Schwuchtel!“
„ Du sprichst von deinem ältesten Sohn, Vater! Du ekelst mich an!“
„ Ich ekle dich an? Und was ist mit Harry? Er treibt es mit Männern! Das nenne ich ekelhaft!“
Am Tag vor Weihnachten war Harry nach zwei Jahren in New York über die Feiertage nach Hause gekommen und hatte sich vor seiner Familie geoutet.
Jamie hatte seit langem vermutet, dass sein Bruder Männer statt Frauen bevorzugte, aber für ihn war das nie ein Problem gewesen. Er wusste, Harry würde sich der Familie offenbaren, wenn er die Zeit für gekommen hielt und außerdem änderte seine sexuelle Neigung nichts daran, dass er der beste große Bruder war, den es gab.
Sowohl Mutter, als auch Alice, seine Schwester, dachten wie Jamie – aber Vater war völlig ausgeflippt.
Tatsächlich hatte er so lautstark und langanhaltend getobt, dass Harry am ersten Weihnachtsfeiertag mit dem Helikopter zurück nach Dublin und von dort nach New York geflogen war, nicht willens die Schmähungen seines Vaters länger zu ertragen.
„ Ich werde sofort mein Testament ändern! Du wirst als Haupterbe eingesetzt und mein Nachfolger werden und deinen Bruder werde ich aus meinem letzten Willen streichen.“
James blieb abrupt stehen. „Das kannst du vergessen! Ich will weder deinen Besitz noch deinen Titel! Harry ist der rechtmäßige Erbe.“
„Aber von ihm sind keine Nachkommen zu erwarten.“
„ Falls es dir nur darum geht - woher weißt du, dass ich mich fortpflanzen werde? Außerdem – auch schwule Paare können heutzutage Kinder haben.“
„ Mach dich nicht lächerlich! Das kommt überhaupt nicht in Frage!“
„ Ich sage dir hiermit eines, Vater, ich stehe als dein Nachfolger nicht zur Verfügung. Und bevor du den Lebenswandel deines Sohnes verurteilst, kehre lieber vor deiner eigenen Tür!“
Der alte Mann lief dunkelrot an, „Was soll das heißen? Was erlaubst du dir überhaupt?“, brüllte er.
„Ich erlaube mir festzustellen, dass deine amourösen Ausflüge der letzten Jahrzehnte nicht unbemerkt geblieben sind. Glaube nur nicht, wir wüssten nicht, dass kein Rock vor dir sicher ist. Mutter leidet
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