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... Wie Gespenster in der Nacht

... Wie Gespenster in der Nacht

Titel: ... Wie Gespenster in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilie Richards
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Nacht du dir ausgesucht hast!“
    Eine ganze Ewigkeit tat er nichts anderes als Starren, bis der See wieder spiegelglatt und ruhig dalag wie kurz vor dem Morgengrauen. Seine Beine waren bis zu den Hüften taub, als er sich endlich umdrehte. Er strauchelte, aber diesmal war er vorbereitet; er hatte es nicht anders erwartet. Er fing den Sturz ab. Das eiskalte Wasser des Sees schwappte über seine Brust, ließ ihm das Mark gefrieren. Doch das Feuer in ihm brannte und wärmte ihn.
    Er war Terence MacDougall, Janes Mann und jetzt Andrews Vater. Wollte er sich an dem messen, was der Rest der Welt als Erfolg definierte, war er ein Verlierer. Er war ein Trunkenbold, ein einfacher Fischer und ein Bootsführer für Touristen, ein ganz annehmbarer Geschichtenerzähler und ein Komponist von kernigen Trinkliedern.
    Und er war der Mann, der soeben Zeuge eines Wunders geworden war.
    Auf allen vieren kroch er an Land zurück. Massierte und schlug gegen seine Beine, bis das Gefühl in sie zurückkehrte. Dann rappelte er sich wankend auf und steuerte auf die Biegung zu, hinter der das kleine Cottage lag, das schon seit dem ersten Tag seines Lebens sein Zuhause war. Kurz vor der Stelle, wo Bäume die Sicht auf den See versperrten, drehte er sich noch einmal um. Seine Stimme bebte.
    „Leb wohl, Darling!“
    Er bekam keine Antwort, aber Terence hatte auch nicht damit gerechnet. Wunder sprachen nicht, sie erschienen auch kein zweites Mal. Den Rest seines Lebens würde er von der Kraft dieses einen Wunders zehren. Und er würde seinem Sohn alles über Wunder beibringen.
    „Leb wohl, Darling! Und vergiss nicht: Der Name des Jungen ist Andrew! Nur, damit du es weißt, wenn ihr euch begegnet. Unser Andrew wird ein guter Junge werden, das verspreche ich. Ein wirklich guter Junge.“
    Nicht einmal ein Wasserring folgte als Antwort, doch Terence wusste, dass sein Darling ihn gehört hatte. Seinen Hut hatte er ebenfalls irgendwo auf dem Weg verloren, wahrscheinlich zusammen mit den Schuhen. Dennoch tippte er sich an den nicht mehr vorhandenen Hutrand, bevor er hinter den Bäumen verschwand.

1. KAPITEL
In einem Land, gar nicht so weit weg, in einem See, dessen Wasser so tief sind, dass sie an den Kern der Erde schwappen, lebte einst ein junges Drachenmädchen namens Stardust. Das mag ein seltsamer Name für einen Drachen sein, doch wenn die Sterne ganz besonders hell und strahlend über den Serenity Lake funkeln, dann glitzern sie so, weil sie ihren feinen Sternenstaub an die Wesen abgeben, die im See leben. In einer solchen Nacht wurde Stardust geboren.
    F  iona Sinclair blickte durch die Luke hinunter auf den kleinen grünen Fleck, der durch die bauschigen weißen Wolken sichtbar wurde. Für jemanden, der jetzt dort unten stand und zum Himmel aufschaute, war das große Flugzeug, in dem sie saß, nicht mehr als ein winziger Punkt in der Luft, ein silberner Stern mitten am Tag. In den fünfundzwanzig Jahren ihres Lebens hatte sie oft Gelegenheit gehabt, in den Himmel zu blicken. Sie hatte mit offenen Augen geträumt und sich mit jedem vorbeifliegenden Flugzeug gewünscht, sie könnte selbst darin sitzen.
    Man sollte immer vorsichtig sein mit seinen Wünschen. Zugegeben, das war ein Klischee, aber in ihrem Falle war es wahr geworden.
    „Hast du eine kleine Tochter?“
    Fiona wandte den Kopf zu dem dunkelhaarigen Mädchen, das in dem Sitz auf der anderen Seite des Ganges neben ihr saß. Sie hatte die Kleine vorher gar nicht richtig wahrgenommen. Eigentlich hatte sie kaum etwas wahrgenommen, seit sie an Bord gegangen war, außer der stetig wachsenden Angst in ihr. Jetzt zwang sie sich zu einem Lächeln. „Nein.“
    „Für wen ist das dann?“ Das Mädchen, in einem roten Rock, roter Strumpfhose und rotem T-Shirt mit aufgedruckten silbernen und goldenen Kreiseln, deutete auf das Buch auf Fionas Schoß.
    „Für meine Nichte. Sie heißt April und ist acht Jahre alt. Wie alt bist du denn?“
    „Oh, viel älter.“ Das Mädchen seufzte wie jemand, dem das Leid der Welt auf den Schultern lag. „Ich bin schon fast zehn.“
    Fiona nickte ernst. „Dann bist du wohl viel zu alt für Märchenbücher, oder?“
    „Oh ja! Aber ich habe alle Stardust -Bücher gelesen, als ich noch klein war.“
    Also gestern , dachte Fiona sich. „Und? Wie haben sie dir gefallen? Meinst du, ich habe eine gute Wahl für April getroffen?“
    „Ich glaube, sie wird es ganz okay finden. Ist das da ein neues?“
    So so, ganz okay. Ein Riesenlob, das höchste überhaupt.

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