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0891 - Fu Longs Rückkehr

0891 - Fu Longs Rückkehr

Titel: 0891 - Fu Longs Rückkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred H. Rückert
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Fu Long wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war.
    Er hatte getrauert - um Jin Mei, seine Geliebte. Ich hätte nie gedacht, dass ich sie je so vermissen würde. Aber offenbar will mir das Schicksal nichts ersparen. Nun, eins steht fest - ich werde sie rächen, das ist das Mindeste, was ich tun kann. So wie ich einst auch meinen Meister Li Si-Wen gerächt habe.
    Für einen Moment schauderte er. Es waren genau diese Geschehnisse gewesen, genau dieses Gefühl nach Rache, das dafür gesorgt hatte, dass er jetzt das war, was ihn ausmachte: ein Vampir.
    Hätte ich nicht nach Rache gesucht, damals, im Jahre 1865, dann wäre ich vielleicht in China geblieben. Ich hätte doch noch die Prüfung Fünfter Ordnung machen und ein kaiserlicher Beamter werden können.
    Aber der Gedanke, dass er dann jetzt schon lange tot gewesen wäre, war nicht so tröstlich, wie er gehofft hatte.
    Manchmal bleibt einem nichts außer der Rache, dachte er, als er sich nach so langer Zeit wieder die Gefühle in Erinnerung rief, die ihn damals zu seiner weiten Reise, die ihn von Beijing in die Rocky Mountains nach Colorado geführt hatte, veranlasst hatten. Ein schief gegangenes Ritual hatte ihn damals zu ewigem Leben verdammt - ein ewiges Leben in der Dunkelheit…
    ***
    Das habe ich nun davon, dachte er, als er wie bereits so oft in den letzten Wochen durch die Straßen von Choquai wanderte. Die Wege, die bisher immer vor Leben vibriert hatten, schienen jetzt leer zu sein. Die Bewohner der Stadt, die Fu Long eigentlich vor allem Bösen, das ihnen drohen mochte, hatte beschützen wollen, schienen nicht mehr hier zu sein.
    Das lag nicht unbedingt daran, dass der Angriff Lucifuge Rofocales, des Höllenfürsten, so viele seiner Mitstreiter getötet hatte. Letztendlich waren die Verluste sogar relativ gering geblieben. Und doch hatte Fu Long geglaubt, den Verlust zumindest einer Person nicht verschmerzen zu können - den von Jin Mei.
    Der Hauptgrund, warum er kaum Leute zu treffen glaubte, war wohl der, dass seine Leute ihn mieden. Sie wussten wahrscheinlich nicht, wie sie mit ihm umgehen sollten - eine normale Reaktion auf Trauer, wie Fu Long wusste. Seine Leute gingen ihm schlicht und ergreifend aus dem Weg.
    Nun, das war kein Wunder, immerhin war er in den letzten Wochen nicht immer der freundliche und weise Herrscher dieser Stadt gewesen, der nichts Schöneres kannte, als sich in Bücher zu vergraben.
    Fu Long sah einem kleinen Kind nach, das in eine Gasse neben einer kleinen Garküche lief, sobald es einen Blick auf ihn geworfen hatte. Es war der Sohn des Restaurantbesitzers Wen Pu. Er musste sich gegen einen Anflug schlechten Gewissens wehren - er schien derzeit wirklich keinen guten Eindruck auf seine Untertanen zu machen. Nur wer sich selbst beherrscht, kann andere beherrschen, schoss ihm ein Zitat des Dao De Jing durch den Kopf. Er warf dem Besitzer des winzigen Restaurants einen entschuldigenden Blick zu, den dieser halb hilflos, halb furchtsam erwiderte. Seine Gäste senkten den Blick noch ein wenig tiefer in ihre Nudelschüsseln. Fu Long ließ seinen Blick über diese alltägliche Szene schweifen und blieb dann wieder bei Wen Pu hängen. Der nickte noch einmal kurz und verschwand dann im Dunkel seiner winzigen und schmutzigen Küche.
    So kann das nicht weitergehen, schalt Fu Long sich selbst, als er weiterging. Doch überzeugen konnte er sich nicht. Nur sein Verstand schien noch zu ihm zu sprechen. Seine Gefühle waren beim Anblick seiner toten Geliebten völlig abgestorben. Jedenfalls empfand er das so.
    Aber ich kann nicht den Rest meines ewigen Lebens nur hier in dieser Stadt herumlaufen und trauern. Ich muss irgendetwas tun. Lucifuge Rofocale, dieser Teufel, dieser Inbegriff des Bösen schlechthin, hat Jin Mei auf dem Gewissen. Das ist eine Tatsache.
    Fu Long versuchte, sich an etwas zu erinnern, das auf seiner »Haben-Seite« stand. Nichts davon kann diesen Verlust aufwiegen!, protestierte es in seinem Inneren, doch er verdrängte diese Gedanken. Wenn er sich nicht wenigstens ab und an etwas Positives vor Augen hielt, würde er verrückt werden, das wusste er. Dann kann ich auch gleich zu Zamorra oder noch besser zu seinem jungen Freund Gryf ap Llandrysgryf gehen und sie bitten, mir einen spitzen Pflock durchs Herz zu treiben.
    Aber Selbstmord ist keine Option. Das war es nie. Lebe! Wenn man den Anhängern der buddhistischen Lehre glauben darf, haben solche Geschehnisse eine Absicht. Also reiß dich zusammen und nimm dein Schicksal

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