Wildes Herz
Nacktheit färbte Jannas Wangen tiefrot. Sie verteilte den Brei mit den Heilkräutern auf seiner Haut und musste sich zusammenreißen, damit ihre Hände nicht zitterten.
Ty bemerkte das feine Beben in den schlanken Fingern und fluchte leise.
„Tut mir Leid, Bursche. Ich wollte dir keine Angst machen. Sobald wir Cascabel los sind, bringe ich dich zum Armeeposten in Sweetwater. Da bist du in Sicherheit.“
Janna schüttelte stumm den Kopf, angestrengt die Hände ruhig haltend, um ihren aufgewühlten Zustand zu verbergen.
„Sei nicht dumm. Früher magst du hier überlebt haben, aber jetzt ist alles anders. Die Armee kämpft seit drei Jahren gegen Black Hawk, seit der Bürgerkrieg zu Ende ist. Die Soldaten haben keine Lust mehr, sich mit den Ute-Indianern herumzuschlagen. Bis Thanksgiving soll alles vorbei sein, und Cascabel wird gleich miterledigt. Wenn Black Hawk und die Soldaten aufeinander treffen, während Cascabel alles umbringt, was sich bewegt, ist hier niemand mehr sicher, weder Mensch noch Tier, schon gar nicht ein Hänfling wie du.“
„Wenn die Gegend so gefährlich ist, warum sind Sie dann hier?“ „Lucifer. Jetzt ist der beste Zeitpunkt, um ihn zu fangen. Sobald die Ute Ruhe geben, werden Pferdejäger mit einem Blick für gutes Zuchtmaterial sich diesen Hengst kaum entgehen lassen. Auch wenn niemand ihn fängt, wird todsicher ein geldgieriger Abenteurer ihm eine Kugel in seinen schwarzen Kopf jagen, um an die Fohlen zu kommen. Er ist ihr Erzeuger, oder?“
„Ja.“
„Das sieht man an ihren langen Beinen und dem edel geformten Kopf. Lucifers Berberblut setzt sich durch, egal, mit welcher Rasse er sich kreuzt. Gehört Zebra zu seiner Herde?“
„Ja.“
„Wie bist du so nah an sie herangekommen?“
Janna wischte die Hände an der Hose ab und betrachtete prüfend Tys Wunden. „Ihre Mutter war ein entlaufenes Ranchpferd. Sie liebte Salz, Hafer und die Gesellschaft von Menschen. Zebra war schon als Fohlen dabei, wenn ich ihre Mutter gestreichelt habe. Es gibt noch mehr Pferde wie sie in Lucifers Herde. Sie akzeptieren mich. Selbst einige von den echten Wildpferden, wenn ich Geduld habe. Ich versorge ihre Wunden, kratze die Stellen an ihrem Fell, die sie nicht erreichen können. Dafür teilen sie mir mit, wenn Menschen in der Nähe sind. So konnte ich Cascabel immer ausweichen. Lucifer riecht ihn auf zwei Kilometer.“
„Erlaubt Lucifer, dass du ihn berührst?“ fragte Ty gespannt.
„Er ist wild wie der Wind“, sagte Janna, ohne seine Frage zu beantworten.
„Dieses Mädchen auch.“ Er schaute zu Zebra. „Aber sie ist dir gefolgt wie ein treuer Jagdhund. Erscheint als Nächstes Lucifer hier?“ „Nein. Ich habe überlebt, weil ich unscheinbar war. Wer neben Lucifer steht, ist weit zu sehen. Lucifer leuchtet wie ein Blitz in der Dunkelheit.“
Donnergrollen wurde laut. Er blickte sie an.
„Hast du jemals versucht, an den Hengst heranzukommen?“
„Nein.“
„Warum nicht? Ist er bösartig?“
Janna zuckte mit den Schultern. „Würden Sie nicht bösartig, wenn jemand versuchte, Ihnen die Freiheit zu nehmen?“
„Pferde werden von Menschen seit Jahrtausenden gezüchtet. Sie sind Gefährten.“
„So denken nur wenige.“
„Wer das leugnet, ist auch grausam zu Menschen. Ich gehöre nicht zu dieser Sorte. Ich kämpfe, um eine Aufgabe zu erledigen, nicht zum Vergnügen.“
Janna blickte auf ihr Messer, das immer noch in bequemer Reichweite von Ty lag. Sie erinnerte sich, wie er das Messer gehalten hatte
- wie eine Waffe, nicht wie ein Werkzeug. Er wusste, wie seine „Aufgabe“ zu erledigen war, besser als jeder andere Mann, den sie kannte
- mit Ausnahme von Cascabel.
Die Erkenntnis hätte sie erschrecken müssen. Trotz seiner Verletzungen war Ty ihr körperlich weit überlegen. Aber sie fürchtete ihn nicht mehr als Lucifer. Ihren Instinkten konnte sie vertrauen. Das hatte sich in der Vergangenheit gezeigt. Sinnlose Grausamkeit und Bosheit spürte sie sofort. Weder Ty noch der schwarze Hengst, den so viele Männer heiß begehrten, weckten dieses Gefühl in ihr.
Was ist, wenn ich mich dieses Mal irre? Wenn Ty einer von denen ist, die gierig alles an sich reißen, was sie Schwächeren abnehmen können?
Die Antwort auf ihre stumme Frage war klar. Wenn sie ihn an ihren verborgenen Zufluchtsort brachte und dort erkannte, dass er nicht der anständige Mensch war, für den sie ihn hielt, hatte sie den schlimmsten Fehler ihres Lebens begangen.
Und ihren
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