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Wilhelm II

Wilhelm II

Titel: Wilhelm II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clark Christopher
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darauf, die Wahrscheinlichkeit einer Eskalation zum Krieg möglichst gering zu halten, selbst wenn das hieß, der Risikopolitik des Auswärtigen Amtes den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Das war der eigentliche Sinn der Rede, die er in Bremen hielt, bevor er sich auf die Reise begab, die ihn nach Tanger führen sollte. Den Falken des deutschen Militärs blieb das keineswegs verborgen, die in der Bremer »Friedensrede« einen Versuch sahen, die Bemühungen des Auswärtigen Amtes zu torpedieren, das über die Marokko-Frage Frankreich erpressen wollte. 82 Im Gegensatz zu vielen seiner »Untergebenen« im Auswärtigen Amt war Wilhelm nicht bereit (oder nicht imstande) anzuerkennen, dass mit der Entscheidung für eine Option womöglich der Verzicht auf die andere verbunden war. Wilhelms chronische Unterschätzung der Beschränkungen, denen der deutsche Handlungsspielraum unterlag, verlieh seinen Einmischungen in die Außenpolitik einen Hauch von Naivität und fehlendem Realitätssinn. Seine Gesprächsbeiträge und Randbemerkungen waren reine Spekulationen, wie Eulenburg 1897 feststellte, zu einer Zeit, als Wilhelm ein neuerliches Interesse an einer Annäherung an Frankreich zeigte: »Es handelte sich um Zukunftsmusik, in weiter Ferne liegend und vielleicht niemals eine nützliche Eventualität.« »Und was hat schließlich die Unruhe Seiner Majestät geschadet?« 83
    Wilhelms Einfluss auf die Politik hatte folglich weniger mit seiner Fähigkeit, Entscheidungen des Auswärtigen Amtes zu prägen, zu tun, als mit seiner Bereitschaft, eigenständig diplomatische Signale auszusenden. Manchmal unterstützten oder erweiterten diese Signale die Botschaften, die von der Wilhelmstraße
ausgesandt wurden, manchmal kamen sie kritischen Kommentaren zur offiziellen Politik gleich, und in einigen Fällen widersprachen sie ihr auch direkt. So gesehen war Wilhelm eine Art unkündbarer Einzelkämpfer auf dem Feld der Diplomatie, dessen unberechenbare Interventionen eine ständige Wachsamkeit und häufige Schadensbegrenzungen seitens der verantwortlichen Behörden erforderten. Aber die Initiative für die Ausarbeitung einer politischen Linie und die Planung ihrer Umsetzung blieb beim Auswärtigen Amt.
    Das führt uns zu der Frage nach dem breiteren Einfluss Wilhelms auf dem internationalen Parkett. Historiker haben häufig Wilhelms taktlose Behandlung von ausländischen politischen Persönlichkeiten, insbesondere ausländischen Monarchen kommentiert. John Röhl hebt das grobschlächtige Auftreten Wilhelms in diesem Kontext hervor und verweist auf die Episoden mit König Ferdinand von Bulgarien und dem Großfürst Wladimir von Russland. Der bulgarische König war im Jahr 1910 »weißglühend vor Hass« aus Berlin abgereist, nachdem Wilhelm ihm in aller Öffentlichkeit einen Klaps auf den Hintern gegeben hatte. Dem Großfürsten hingegen hat Wilhelm 1904 angeblich mit einem Marschallsstab auf den Rücken geschlagen. 84 Diese Anekdoten beruhen auf Hörensagen und sind uns, versteht sich, über den Tratsch überliefert worden, der am Hof kursierte. Sie sagen wenig über die allgemeinere Bedeutung der geschilderten Vorfälle aus. Ernster zu nehmen ist die These, dass Wilhelms Beziehungen zu seinen Mitmonarchen und zu den Staatsmännern ausländischer Mächte zu dem Klima des Misstrauens beitrug, das letztlich die Mächte am Rand Europas gegen das Deutsche Reich vereinte. Roderick McLean beispielsweise stellte die These auf, dass der Einbruch in den Beziehungen zwischen Wilhelm und seinem Onkel König Edward VII. von Großbritannien ab 1905 »einen der wenigen Mechanismen beseitigte, die Großbritannien und Deutschland noch zusammenhielten« und die dynastischen Verbindungen zu einer »politischen Belastung« ummünzte. 85 Laut Lamar Cecil erhöhte Wilhelms »Unbeliebtheit
in fast allen Hauptstädten erheblich die diplomatischen Bürden für das Deutsche Reich« und trug so zum Scheitern des deutschen Vorstoßes auf der Konferenz von Algeciras bei. 86 Es trifft gewiss zu, dass eine Sammlung der abschätzigen Bemerkungen von Staatsdienern und Journalisten über Wilhelm – etwa dass er doppelzüngig, kriegerisch, unzuverlässig, ein Intrigant, ein Kriegshetzer, verrückt und so weiter sei – ein dickes Buch füllen würde. Die politische und diplomatische Geschichtsschreibung dieser Ära stützt sich auf eine riesige Flut von Memoiren, Korrespondenz, Tagebüchern und privaten Unterlagen, auf Quellen, in denen es vor persönlichen Exkursen

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