Willenlos
sechs Stunden lang verhört. Immer wieder und wieder hatte er dasselbe erklärt, ohne dass sie ihm glaubten. Irgendwann kurz vor Schluss war er mit den Kräften am Ende gewesen, heulte hemmungslos. In diesem Augenblick waren die Stimmen sanfter geworden. Beruhigend hatten sie auf ihn eingeredet, ihm nahegelegt, ein Geständnis abzulegen. Fast hätte er nachgegeben, nur um aus diesem Raum zu kommen. Einfach unterschreiben, dann würde der Wecker klingeln, der Albtraum wäre beendet. In letzter Sekunde hatte er sich besonnen, war hochgesprungen, um ihnen seine Unschuld ins Gesicht zu schreien.
Die kahle Gefängniszelle zwang ihn, die Tage mit Nachdenken zu verbringen. Die Trennung von seiner Familie in einer Zeit, in der er sie dringend benötigte, schmerzte. Die Vorstellung, den größten Teil des restlichen Lebens in einem solchen Raum verbringen zu müssen, eingepfercht wie Vieh, gemeinsam mit dem Ausschuss der Gesellschaft, trieb ihn in den Wahnsinn. Voller Sehnsucht wanderte sein Blick über den Tisch. Udo Hornbach bemerkte den zitternden Körper seiner Frau. Er fühlte sich so elendig schuldig. Unschuldig schuldig. Sein Mund wurde trocken, die Zunge klebte am Gaumen.
»Die Kinder sind bei meiner Mutter, ich habe sie heute nicht zur Schule geschickt.«
»Warum?«
»Sie waren gestern völlig aufgelöst von der Schule gekommen. Ihre Klassenkameraden meiden sie, rufen ihnen zu: Euer Vater ist ein feiger Mörder.«
Manuela Hornbachs letzte Worte gingen unter in einem Schwall Tränen. Ihr Mann fasste einen Entschluss, der ihm unendlich wehtat.
»Du musst das Haus verkaufen und mit den Kindern weit wegziehen, in ein anderes Bundesland.«
Sie sah ihn erstaunt an.
»Und was wird mit dir?«
»Ich komme nach. Bald.«
5
»Soll ich ihn nachher zurückbringen oder kommt er direkt frei?«
Der uniformierte Kollege sah sie mit hasserfülltem Blick an. Joshua atmete tief durch, die rechte Faust zog sich zusammen. Glaubten sie wirklich, er könne sie nicht verstehen, wäre keiner von ihnen? Seifert betrat das dem Verhörraum angrenzende Zimmer. Zu ihrer Verwunderung wurde er von Bornmeier begleitet. Durch die einseitig einzusehende Scheibe warfen sie einen Blick auf Hornbach. Er kam ohne Anwalt.
Hornbach setzte sich an den kleinen Tisch und faltete die Hände wie zum Gebet. Joshua kam der Raum wie eine Zeitmaschine vor. Viele Häftlinge sahen nach wenigen Tagen Jahre älter aus. Karin und Joshua nahmen Hornbach gegenüber Platz. Joshua schaltete die Videokamera ein und machte Angaben für das Protokoll. Nachdem er Udo Hornbach begrüßt hatte, sah er ihn zunächst eine Minute stumm an. Hornbach war unrasiert, seine Wangen waren leicht eingefallen. Die Haut wirkte leblos und fahl. Er hatte kapituliert. Vorsichtig, als sei er völlig verängstigt, öffnete Hornbach die Lippen.
»Haben Ihre Kollegen aufgegeben?«, der Ansatz eines Lächelns zog sich über das gräuliche Gesicht.
»Nein«, antwortete Karin, »wir sind vom Landeskriminalamt, möchten uns ein Bild von Ihnen machen.«
Eine Sekunde zögerte Hornbach.
»Bedeutet das, Sie überprüfen den Fall noch einmal?«
»Gibt es denn etwas zum Überprüfen?«
Von einer Sekunde zur nächsten schien Vitalität seinen Körper zu durchfluten. Die Gesichtsfarbe wurde lebendiger, er richtete sich kerzengerade auf und atmete erleichtert durch. Danach sprudelten die Worte aus seinem Mund, als sei er nach Wochen von einem Knebel befreit worden.
»Es tut mir wirklich wahnsinnig leid um Ihren Kollegen. Aber ich habe absolut nichts damit zu tun.«
Hornbach rückte halb über den Tisch und sprach leise weiter.
»Die wollen mich hier fertigmachen, ich habe keine Ahnung, warum. Sie haben sogar Beweise«, er zögerte, »ähem … nicht richtig überprüft. Bitte, ich möchte Ihren Kollegen keine Boshaftigkeit unterstellen, aber das kann alles nicht stimmen. Ich besaß nie ein solches Messer, ich war auch in meinem ganzen Leben noch niemals in Meerbusch. Und den Toten kannte ich auch nicht. Vielleicht bin ich ihm mal irgendwo begegnet, das kann natürlich sein, aber ich kannte ihn nicht. Bitte, Sie müssen mir helfen.«
»Das würden wir ja gerne, Herr Hornbach. Aber dazu müssten Sie uns die Wahrheit sagen«, Joshua zog das Foto der Überwachungskamera aus der Akte und legte es vor ihm auf den Tisch.
»Sind Sie das?«
Hornbach zog irritiert die Stirn in Falten. Er führte das Schwarz-Weiß-Foto dicht an seine Augen und nickte.
»Ja, das bin ich. Wo ist das
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