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Wilsberg 06 - Schuss und Gegenschuss

Wilsberg 06 - Schuss und Gegenschuss

Titel: Wilsberg 06 - Schuss und Gegenschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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dreißig Grad in meiner Hütte.«
    »Du machst es mir unnötig schwer, Georg.«
    »Im Gegenteil. Ich verschwinde morgen für zwei Wochen. Ein Auftrag.«
    Ihre Gesichtszüge entspannten sich. »Toll. Ich freu mich für dich. Ist die Bezahlung anständig?«
    »Fünfhundert Mark pro Tag, Minimum.«
    »Wahnsinn.« Sie streichelte meinen Arm. »Du wirst sehen, es geht wieder aufwärts.«
    Das sah ich auch so.
    Nach dem Kaffee stieg ich hoch zu meinem Zimmer. Es enthielt ein Bett, einen Stuhl und einen Kleiderschrank. Ich zog mich aus und legte mich nackt aufs Bett. Trotz der drückenden Hitze und ohne mich lange zu wälzen, schlief ich ein. Ich träumte einen Gangsterfilm. Götz George spielte den Kommissar, ich einen Bankräuber. Zwischen uns stand eine Frau, die aussah wie Barbara Auer.
    Gegen fünf, noch vor dem ersten Bimmeln des Weckers, wachte ich auf. Ich war schweißgebadet, und eine dumme dicke Fliege rüsselte an meinen Zehen herum. Ich fühlte mich müder als vorher. Und zerschlagen. Ein Nachmittagsschlaf kann der Beginn eines abendfüllenden Kopfschmerzes sein. Mit pelziger Zunge und einem watteartigen Gefühl im Kopf schlich ich in die Nasszelle. Sie machte ihrem Namen alle Ehre. Sobald man die Dusche aufdrehte, wurde alles, buchstäblich alles nass. Der Inhalt des kleinen Medizinschränkchens über dem Waschbecken genauso wie der Teppich jenseits der Türschwelle. Vorsichtshalber quetschte ich einen Aufnehmer in die Türritze, bevor ich mich unter die kalte Dusche stellte.
    Anschließend cremte ich mich gründlich ein, es konnte ein langer Abend werden. Dann holte ich die Kochplatte unter dem Schrank hervor, stellte sie auf den Stuhl, gab wenig Wasser und viel italienischen Kaffee in die Espressokanne und trank das daraus entstandene Gebräu mit drei Teelöffeln Zucker. Jetzt fühlte ich mich fit genug für Fall Nummer zwei: die Überwachung von Frau Reichardt.
    Die Liberalisierung des Scheidungsrechts durch die sozialliberale Koalition war für viele Privatdetektive ein harter Schlag gewesen. Für mich nicht. Denn das war lange vor meiner Zeit. Später, als ich neben dem Detektivgeschäft noch einen Briefmarkenhandel betrieb, hatte ich Ehegeschichten genauso behandelt wie Tierrückholaktionen, nämlich gar nicht. Schlüssellochguckerei kam für mich nicht infrage.
    Inzwischen hatte ich meine Prinzipien gründlich überdacht und war deshalb nicht abgeneigt gewesen, als mich Herr Reichardt bat, seine Frau zu beobachten. Er hielt sie für eine Schlampe, was er deutlich zum Ausdruck brachte. Es gab bereits einen Scheidungstermin, die Unterhalts- und Abfindungsfragen waren weitgehend einvernehmlich geregelt. Das Problem lag woanders. Im Gegensatz zu den meisten Vätern wollte Herr Reichardt nicht auf das Sorgerecht für seine beiden Kinder verzichten. Meine Aufgabe bestand darin zu beweisen, dass seine Vermutungen richtig waren und Madame sich vor lauter Turtelterminen mit ihren Liebhabern nicht richtig um die Kinder kümmerte.
    Die Reichardts wohnten (beziehungsweise, was Herrn Reichardt betraf, hatte gewohnt) in Berg Fidel, einem Retortenstadtteil, den man in den frühen Siebzigerjahren hochgezogen hatte und der hauptsächlich aus Sozialbunkern und einem kargen Zentrum bestand. Zwischen den Hochhäusern und vor allem am Rand gab es allerdings auch eine Menge Ein- und Zweifamilienhäuser, und ein solches nannten die Reichardts ihr Eigen.
    Ich versteckte die bonbonfarbene Ente hinter einem Off-Road, steckte mir einen Zigarillo ins Gesicht und betrachtete das reichardtsche Anwesen durch ein Fernglas. Seitdem ich hinter ihr her war, hatte sich Frau Reichardt sehr gesittet benommen. Zweimal in der Woche, wenn die Kinder in der Schule waren, ging sie in ein nahe gelegenes Health Center (Werbespruch: »Fit durch Freude«). Hoffnungen, sie könnte sich mit einem John Travolta-ähnlichen Trainer in die Umkleidekabinen verdrücken, erwiesen sich jedoch als völlig aus der Luft gegriffen. Yvonne (so hieß Frau Reichardt mit Vornamen) hatte eine Trainerin. Überhaupt war mir auf meinen Streifzügen durch das Health Center kein einziger Mann begegnet, und Frauen, die mir begegneten, reagierten häufig mit einem ausgestoßenen »Huh!« und weit aufgerissenen Augen. Schließlich fand ich heraus, dass die Tage, an denen Yvonne das Health Center frequentierte, Frauentage (Women only!) waren.
    Vom heutigen Abend versprach ich mir dagegen mehr. Nach dem letzten Training hatte Yvonne mit ihrer Freundin Isabell eine Verabredung

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