Winterkill
Willie und Laura Morgan an. »Wir beten für sie und bitten den Herrn, ihre Tochter in Gnade bei sich aufzunehmen. Wir beten auch für den Schamanen, der in seinem Hass auf diese Frauen blind war und seinem Leben ein gewaltsames und zorniges Ende setzte. Wir beten für die Menschen, die während der Jagd auf unsere geliebte Sarah Standing Cloud ums Leben kamen, obwohl sie kaltblütige Mörder und Verbrecher waren. Möge sich der Herr ihrer Seelen erbarmen.«
Er betete lange und stumm, hob erst den Kopf, als die Gemeinde langsam unruhig wurde. »Doch bei aller Trauer ist dies auch ein Tag der Freude. Wendy Running Wolf ist schon nach wenigen Stunden aus dem Koma erwacht und wird bald wieder studieren können. Florence Weinert, die im fernen New York aus dem Krankenhaus entlassen wurde, wird uns auch weiterhin aus Katalogen und Zeitschriften entgegenlächeln. Besonders stolz sind wir aber auf eine junge Frau, von der wir bis vor ein paar Stunden gar nicht wussten, wo sie wohnte. Eine tapfere Kriegerfrau, wie sie auch in den alten Zeiten nur selten lebte. Vor zwei Jahren sagte sie gegen den Bruder eines mächtigen Verbrechersaus. Nur ihr haben wir es zu verdanken, dass der Mörder von Adam Little Crow noch immer im Gefängnis sitzt. Für diesen beispielhaften Einsatz musste sie im Zeugenschutzprogramm ihren Namen wechseln und unerkannt in Chicago leben. Es war ihr verboten, die Heimat zu besuchen, und sie durfte mit keinem von uns in Verbindung treten, nicht einmal mit ihren geliebten Eltern. Sie hat eine Nacht des Schreckens hinter sich. Kaltblütige Killer verfolgten sie durch die Stadt und trieben sie an den Rand des Todes. Doch sie hat überlebt. Ich meine Sarah Standing Cloud. Lasst uns diese mutige Kriegerfrau mit einem Gebet ehren, so wie eure Vorfahren in den alten Zeiten am Feuer zu Ehren der Krieger tanzten und beteten, die sich durch besondere Tapferkeit hervorgetan hatten.«
Die Gemeinde betete hingebungsvoll, dann sagte Father Paul: »Sarah Standing Cloud ist wohl der beste Beweis dafür, dass es den Wendigo nicht geben kann. Denn haben wir nicht immer gehört, dass dieses Ungeheuer mächtiger als die stärksten Krieger sein soll? Wie kann es ihn geben, wenn schon drei junge Frauen seinem bösen Fluch widerstanden haben?« Er ließ die Worte wirken und fügte andächtig hinzu: »Gelobt sei Jesus Christus. Amen.«
Nach der Messe, beim gemeinsamen Frühstück im Versammlungsraum, begegnete Father Paul einer energischen Frau mit forschenden Augen und schmalen Lippen. »Special Agent Rhonda Scott vom FBI in Duluth«, stellte sie sich vor. »Wir hatten telefoniert.«
»Natürlich, ich erinnere mich.«
»Ich wollte mich nur für den schönen Gottesdienst bedanken. Ich bin keine Katholikin, wissen Sie, und fand ihn sehr … feierlich.« Ihr Lächeln wirkte etwas angestrengt. »Und ich wollte Ihnen sagen, dass wir wieder gegen Clarkson Minerals ermitteln. Zwei junge Männer haben uns aufeine interessante Spur gebracht. Sie wollten ihre Namen nicht nennen, aber einer sagte, ich sollte Ihnen unbedingt Bescheid sagen. Ich dachte, das würde Sie interessieren.«
»Sehr sogar«, erwiderte Father Paul lächelnd. »Wie wär’s mit einem Kaffee?«
»Mit Milch und Zucker«, sagte sie.
Lieutenant Karen Havelka und Special Agent Russ Tumblin begleiteten Sarah und Ethan bis zum Gate. US Marshal O’Keefe würde auf dem Irrflug in ihre neue Zukunft neben ihnen sitzen. Sie würden kreuz und quer durch Amerika fliegen, bis sie ihr Ziel erreicht hatten.
»Nur wenn Ethan auch mitkommen darf«, hatte Sarah zur Bedingung gemacht, als man ihr angeboten hatte, sie wieder ins Zeugenschutzprogramm zu übernehmen. »Und wenn sie uns sofort Bescheid geben, sobald Sie Bruno Cavani verhaftet haben. Wenn es was zu feiern gibt, wollen wir unsere Verwandten und Freunde dabeihaben. Okay?«
»Einverstanden«, hatten das FBI und die US Marshals eingewilligt. Und Tumblin hatte hinzugefügt: »Ich glaube nicht, dass Sie lange wegbleiben müssen. Vielleicht nur ein paar Monate …«
Vor dem Gate verabschiedete sich Sarah von Lieutenant Havelka und Agent Tumblin. »Ich hoffe, ich habe Ihnen nicht zu viele Scherereien gemacht.«
Havelka lächelte. »Nun ja«, sagte sie, »meine Hochzeit kann ich mir nach dieser Nacht wohl abschminken. Mein Verlobter ist stinksauer. Wenn ich’s mir überlege, bleibe ich sowieso lieber allein. Meiner Katze ist es egal, ob ich arbeite und wann ich nach Hause komme.«
Sarah drückte Ethans Hand und blickte
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