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Wir sind die Nacht

Wir sind die Nacht

Titel: Wir sind die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hohlbein Wolfgang
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seinen Begleiter natürlich nicht zu vergessen, den niedlichen Blondschopf von vorhin, bei dem sie sich jetzt sicher war, dass er sie nicht versehentlich angerempelt hatte.

    Lena benötigte eine Sekunde, um all das zu begreifen und zu sortieren: dass sie diese dilettantisch aufgestellte Falle nicht nur nicht gesehen hatte, sondern auch noch mit offenen Augen hineingetappt war!
    Erst dann kam sie auf die Idee, ihre begonnene Bewegung so abrupt und getreulich fortzusetzen, als hätte das Schicksal für eine Sekunde auf die Pausentaste gedrückt und die Zeit einfach angehalten. Sie tauchte unter Boris’ grapschend ausgestreckter Hand hindurch und wäre vielleicht tatsächlich entkommen, wäre der Russe nicht haargenau im selben Moment ebenfalls aus seiner Schockstarre erwacht und mit der Eleganz einer anfahrenden Planierraupe losgestürmt. Lena wurde von den Füßen gerissen und gute anderthalb Meter zurück zu Boden geschleudert. Sie rollte sich über die Schulter ab, und gerade als sie wieder auf die Beine kam, prallte Rasputin gegen die beiden Zivilbullen und rannte sie einfach über den Haufen. Möglicherweise wäre er damit sogar durchgekommen - der Kerl war tatsächlich so stark, wie er aussah -, aber schon im nächsten Augenblick waren auch die beiden anderen Bodybuilding-Typen herangenaht, und auf dem Bürgersteig brach ein Handgemenge aus, das jedem Jackie-Chan-Film zur Ehre gereicht hätte; nur dass es nicht annähernd so lustig war. Und dass an seinem Ausgang kein Zweifel bestand. Einer gegen vier funktionierte vielleicht in einem Kung-Fu-Film, aber selten in der Realität.
    Immerhin gab es ihr die Möglichkeit, das zu tun, was sie schon vor zwanzig Minuten hätte tun sollen, nämlich von hier zu verschwinden.
    Blitzschnell wirbelte sie abermals herum, machte einen Schritt und blieb erneut stehen, als ihr Blick dem des heranstürmenden Glatzkopfs begegnete.
    Nur dass er nicht den Russen im Visier hatte, sondern sie.
    Das war entschieden zu viel der Ehre, dachte sie verdutzt.
Okay, die Art, auf die sie ihren Lebensunterhalt und den ihrer Mutter bestritt, würde ihr niemals eine Einladung zur Weihnachtsfeier der Polizei einbringen - aber gleich das halbe SEK aufzufahren, um eine kleine Taschendiebin zu stellen, war dann doch des Guten zu viel. Sie blickte kurz zu Igor zurück, der noch immer sein Bestes tat, um die vier Bullen zu beschäftigen. In was zum Teufel war sie da hineingeraten?
    »Bleib mal stehen, Junge«, sagte Halbglatze. »Keine Angst, es ist alles in Ordnung. Wir sind von der Polizei.«
    Was für eine Überraschung, dachte Lena. Eine oder zwei Straßen entfernt begann eine Polizeisirene zu heulen, wie um die Worte des Dicken noch zusätzlich unter Beweis zu stellen. Auf der anderen Straßenseite bildete sich bereits ein kleiner Menschenauflauf. Eine Frau kreischte. Dabei war es doch Iwan, der die Prügel einsteckte.
    »Keine Angst«, fuhr das Dickerchen fort. »Wir haben nur ein paar Fragen an dich, Junge.«
    Ja, darauf wette ich, dachte Lena. Der Blick des Jüngeren (er sah immer noch genauso niedlich aus wie vorhin, sogar jetzt, wo sie wusste, was er war) sagte etwas anderes. Lena senkte trotzdem den Kopf, schlurfte mit hängenden Schultern auf ihn und seinen schmerbäuchigen Begleiter zu und überschlug dabei blitzartig ihre Chancen. Sie standen nicht besonders gut. Lena wusste, dass sie schnell war, verdammt schnell sogar, aber auch der Blondschopf sah nicht gerade schlapp aus. Mittlerweile hatte sich zu der ersten Sirene eine zweite gesellt, die aus der anderen Richtung näher kam. Außerdem wimmelte die Straße inzwischen von Neugierigen, und irgendein aufrechter Bürger würde sich ganz bestimmt dazu berufen fühlen, ihr ein Bein zu stellen oder etwas ähnlich Unerfreuliches zu tun. Vor ihr war nur noch Glatzkopf und sein gut aussehender Begleiter, und dazwischen die Automatiktür des Aldi, die genau in diesem Moment mit einem in den Zähnen schmerzenden Quietschen
vor einer schwer mit Plastiktüten beladenen Frau auseinanderglitt. Perfekt.
    Lena wartete, bis die Frau durch die Tür getreten war, machte ihr höflich mit weiter gesenktem Kopf Platz und spurtete im buchstäblich allerletzten Moment los, als die Tür mit einem beinahe noch erbärmlicheren Quietschen wieder zuglitt.
    Hinter ihr gellte ein wütender Schrei auf, dann erbebte die Glastür unter einem gewaltigen Anprall. Ganz wie gehofft, hatte der Glatzkopf zu spät begriffen, dass sich der Ausgang nur von innen öffnete.
    Sein

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