Wir waren nie Freunde
noch, es hätte etwas zu bedeuten, dass unsere Namen so ähnlich waren, es wäre ein Beweis dafür, wie ähnlich wir uns doch wären. Später stellte ich ja selbst fest, dass das nicht stimmte, und dass es kaum zwei Menschen gab, die sich so unähnlich waren wie Jim und ich. Er ist groß wie ein Braunbär, ich bin dünn wie ein Spargel. Aber wir denken genau gleich. Ich finde, das ist umso verwunderlicher.
Gerade jetzt denke ich an nachher, wenn wir noch größere Schritte machen, weil wir es eilig haben zu Kristins indischem Lammcurry zu kommen. Sonntags gibt es fast immer Lammcurry. Mit Kokosflocken und Bananenscheiben und Mandeln und jeder Menge scharfer Gewürze, die in einer gelbroten Soße zusammen mit den Fleischstücken schwimmen, die so mürbe sind, dass sie auf dem Weg zum Mund explodieren. Das ist das Beste, was Jim und ich uns denken können. Es gibt Fußballspiele, da reden wir mehr übers Lammcurry als über Fußball.
Das Spiel heute ist überhaupt nicht so, wie ich es erwartet habe: Das Spiel ist jämmerlich. Zurückhaltend. Der reinste Stellungskrieg in der Mitte. Hohe Bälle zum Angriff hin, die der Wind über die Seitenlinie weht. Das ist ein typisches Null-Null-Spiel. Viel Unruhe, viel Laufen, viele Nerven. Viel Mist.
Ich überlege, was Philip und Tove wohl machen. Wo die an diesem Aprilsonntag sein können, an dem der Wind sich die größte Mühe gibt, alles kaputtzumachen. »Das wird nichts mehr«, sagt Jim.
In dem Augenblick spüre ich, wie jemand mir direkt auf den Kopf spuckt. Ich hebe die Hand und streiche mir übers Haar ohne mich umzugucken, und meine Hand wird nass. Ein dicker Spuckekloß liegt auf meinem Kopf. Ich werde natürlich total wütend, versuche aber zu tun, als wenn nichts wäre. Ich weiß, das ist die einzige Möglichkeit. Ich bewahre die Haltung, sage nichts. Ich wende mich an Jim.
»Die spielen auf Sicherheit«, murmle ich so ruhig ich kann.
Jim nickt. Er hat nichts gemerkt.
»Wenn das so weitergeht, dann stirbt der Fußball«, seufzt er.
Es bleibt beim 0:0. Die Leute pfeifen, als wir aufstehen. Ich sage, dass es jetzt nicht schlecht wäre, was zwischen die Zähne zu kriegen. Ich sehne mich nach indischem Lammcurry. Aber dann fällt mir der Spuckekloß ein, und als ich daran denke, dass es Leute gibt, die auf andere spucken, da zieht sich mein Magen vor Abscheu zusammen.
Philip, mein Freund? An einem windigen Nachmittag stehen Philip und Manny vor meinem Haus und warten auf mich. Manny hat sich vor ein paar Tagen den Kopf kahl rasiert, und das Ergebnis ist unglaublich. Sein Kopf leuchtet mit einem blassen Schimmer, wie ein Stein, der nach vielen Jahren auf dem Meeresgrund aus dem Wasser gekommen ist.
Es ist das erste Mal, dass ich es sehe. Ich versuche ihn nicht anzustarren.
Tue so, als beobachte ich ein paar Elstern, die im Gegenwind spielen. Sie rudern auf dem wogenden Luftmeer über den Astrakanvägen, bevor sie sich von den Linden auf der anderen Straßenseite auffangen lassen, sich dort setzen und zusammen laut krächzen.
»Hei Kim«, sagt Philip.
»Grüß dich, Philip«, sage ich.
Ich kann den Blick nicht von Manny abwenden. Für mich ist die Verwandlung ein Schock. Manny scheint ein anderer zu sein als noch vor kurzem. Dieser ziemlich langsame Kerl, er scheint jetzt die ganze Zeit »on« zu sein. Er registriert alles, was passiert, um keine Gelegenheit zum Handeln zu verpassen. Als hätte er endlich den Knopf zu sich selbst gefunden, zu dem, was er braucht: Strom, Hochspannung.
Als ich endlich nicht mehr den kahlen Schädel anstarre, kann ich feststellen, dass es trotz allem immer noch Manny ist. Ich studiere ihn genau, Stück für Stück. Schaue mir die verschmitzten, lachenden Augen an, den Mund mit den gleichgültigen Lippen. Ja, natürlich ist das Manny. So sieht er jetzt aus. Ja.
Langsam akzeptiere ich das. Für mich gibt es immer noch das Bild des früheren Manny, das Bild eines Jungen, den ich ein wenig kenne. Aber wie ist das für alle, die ihn jetzt zum ersten Mal sehen. Wen sehen die?
Mannys Raubvogelblick fängt den Hunderter in meiner Hand ein. Ich bin auf dem Weg zum Seven, um Weichspüler für Kristin zu kaufen.
»Na, wie läuft es, Kimmimaus?«
Ich zucke mit den Schultern.
»Geht so.«
»Kaufst du Bücher ein?«
Ich grinse. Schüttle meine Haare.
»Wir haben eine saustarke Sache am Laufen«, unterbricht Philip mich. »Du musst mitkommen. Das machst du doch, oder?«
Er reißt an seinen dicken Locken und lacht etwas peinlich
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