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Wir waren nie Freunde

Wir waren nie Freunde

Titel: Wir waren nie Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Casta
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PM lacht wieder laut auf. Ich meine auch Manny grölen zu hören. »Hört endlich auf«, sagt Tove.
    Ich versuche PM zu erkennen. Sie scheint nicht still stehen zu können, schlingt beide Arme Manny um die Taille und drängt sich dicht an ihn.
    »Küss mich, Manny«, sagt sie.
    Aber Manny starrt mich an. Jemand nimmt mir die schwarze Baskenmütze ab und wirft sie Manny zu, der sie aber nicht fängt. Die Baskenmütze segelt vorbei und verschwindet in der Dunkelheit.
    »Eine fliegende Untertasse«, sagt jemand und lacht am lautesten selbst darüber. »Eh, Alter, hast du ein UFO auf dem Schädel?«
    Ich suche die Baskenmütze und setze sie mir wieder auf. Jemand kommt erneut zu mir. Jetzt ist ein anderer Ton in der Stimme, sie klingt nicht mehr so spaßig. »Hör mal, was machst du da? Dieser Dreck gehört nicht auf den Kopf!«
    Er schnappt sich die Baskenmütze, und als ich mich ausstrecke, um sie mir wiederzuholen, rammt er mir ein Knie direkt in den Schritt. Ich kann nicht reagieren. Das tut verdammt weh.
    Bevor ich mich rächen kann, sehe ich, wie Tove sich auf den Jemand wirft. Sie ohrfeigt ihn, dass in der dröhnenden Musik ein trockenes Echo zu hören ist. »Komm«, sagt sie. »Wir hauen ab.«
    Letzte Fähre Und es fängt fast wie ein Film an. Philip natürlich als Erster. Sein Rad ist größer als alle anderen. Vielleicht ist das auch nur Einbildung. Vielleicht liegt es an Philips Haltung, seiner Würde. Später stelle ich fest, was wirklich dahinter steckt: sein gewaltiges Gepäck. Ein Berg lebensnotwendiger Dinge: Töpfe, Äxte, Seile, Messer, lange Unterhosen, Karten und schockgefrorenes Essen. Und sicher noch so einiges mehr.
    Tove, my love, dicht vor mir. Besser gesagt: Ich dicht hinter ihr. Der Suchhund Kim hat sich an dem Mädchen mit den schwarzen Ringen unter den Augen festgebissen. Sie hat fast die gleichen Ringe wie Kristin.
    Jetzt dreht sie sich um. Lacht mir zu.
    »Die wird vielleicht überrascht sein«, ruft sie. »Wer?«
    »Na, meine Oma natürlich!«
    Das hatte ich vergessen. Wir wollen bei Toves Oma vorbeifahren. Sie wohnt auf einem Hof mitten im Nowhere. Nicht weit von Philips Balzplatz entfernt. Tove hat beschlossen, dass wir dort anhalten und Kaffee trinken.
    Wir strampeln schweigend vor uns hin.
    Manny, Philips ständiger Begleiter, fährt dicht hinter ihm. Dann Pia-Maria mit den Brüsten. Criz fehlt, sie kommt laut unsicheren Informationen erst später. Und obwohl es anstrengend ist und wackliger als sonst, ist es einfach toll. Ich strample fast ohne nachzudenken. Fast ohne zu denken »rechter Fuß, linker Fuß, rechter Fuß, linker«. Ich versuche Toves Duft im Wind aufzufangen. Versuche ihn von allem anderen, was mir um die Nase weht, zu trennen. Ich fantasiere von den lichtscheuen Blicken, die sie mir zuwirft. Blicke, die mich an etwas erinnern, was wir vor einiger Zeit an einem verzauberten Sonntag gemacht haben. Als es nur sie und mich auf der ganzen Welt gab. Tove und mich, und wir waren vollkommen nackt. Ich möchte ein Zeichen von ihr haben. Ein Zeichen, das sagt, dass es wirklich passiert ist. Dass es nicht nur etwas ist, was mein merkwürdiges Gehirn sich zusammenfantasiert hat.
    Ab und zu mache ich merkwürdige Dinge, ich mache die Dinge rückwärts.
    Normale Alltagsdinge, die andere tun ohne darüber nachzudenken, wie Fleischsoße aufzufüllen, einen Schuh zu binden oder zu pinkeln, auf so etwas muss ich mich tausend Jahre lang konzentrieren. Wenn ich in der Essensschlange stehe und endlich an der Reihe bin, mir aufzufüllen, treten alle hinter mir einen Schritt zur Seite, weil alle wissen, dass ein paar Fischstäbchen angeflogen kommen können.
    Kristin fürchtet, das könnte ein Hirnschaden sein. Aber ich weiß, was es ist. Ich denke zu viel. Ich denke die ganze Zeit, und immer an etwas anderes als an das, womit meine Hände und Füße gerade beschäftigt sind. Sie sind wie Vögel, meine Gedanken. Und mein Gesicht ist wie eine Theaterbühne. Alles, was in mir passiert, kann außen abgelesen werden. Menschen, die mich nicht kennen, können glauben, ich hätte Schmerzen oder wäre böse. Tove ging es anfangs auch so. » Was ist los, Kim?«, fragte sie. Aber es ist ja nie etwas los.
    Ich werde durch Toves Rufen aus meinen Gedanken geweckt.
    »Was?«, schreie ich.
    »Philip sagt, die Auerhähne sind so groß wie Hunde«, ruft sie.
    »Ja, wirklich?«, rufe ich.
    Ich rede gern mit Tove über Vögel. Wir unterhalten uns über Lerchen, Eisvögel und Auerhähne, die groß sind wie

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