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Wo wir uns finden

Wo wir uns finden

Titel: Wo wir uns finden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Findeis
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hier draußen. Er beobachtet, wie die Frau den Mann begrüßt mit einer langen Umarmung, als habe es sie den ganzen Tag nach diesem Moment verlangt, wie sie Arm in Arm ins Haus gehen. Er hebt die Hand, als der Mann ihn entdeckt. Er stellt sich vor, was die beiden jetzt machen werden. Wie sie ihn nach seinem Tag fragen wird, wie er sie nach ihrem Tag fragen wird, wie sie warten werden, bis mein Vater weg ist, um gemeinsam seine Arbeit zu inspizieren, nach Fehlern zu suchen. Er fragt sich, warum sie ein vollkommen eingerichtetes Kinderzimmer haben, aber kein Kind. Staub treibt im langen Licht, das durch das verschmierte Plexiglasfenster in den Schuppen fällt. Er spuckt seinen Auswurf auf den Boden und tritt ihn mit der Schuhsohle breit. Von den Rattengiftködern, die er in den Ecken ausgelegt hat, fehlen einige. Wie die Rattenmutter das Gift in den Bau geschleppt hat, stellt er sich vor, wie sie und ihr Nachwuchs während der letzten Tage innerlich verblutet sind – dass Ratten nicht so dumm seien, denkt er, bevor er dem Werkzeugkasten einen Tritt gibt und die Schuppentür zudrückt.
    Mein Vater versucht, auf dem Heimweg langsamer zu gehen als am Morgen. Er hat Schmerzen in den Hüftgelenken und im Rücken. Er bekommt manchmal Probleme mit dem Atmen, der Schleim wird zäh und verstopft seine Atemwege, trinkt er nicht genügend Wasser; die kurze Panik lässt ihn nach Luft schnappen.
    Die Sonne steht jetzt tief hinter den Kiefern, die Wipfel der Bäume leuchten, lösen sich auf im Gleißen.
    In seinem Rücken nähert sich ihm ein Wagen. Er tritt von der Straße und betrachtet einen Ameisenhaufen am Waldrand, die Insekten kann er gegen den Untergrund kaum ausmachen, nur ihre Last erkennt er, scheinbar schwerelos schwebt sie über die Erde. Er hört, dass der Wagen seine Fahrt verlangsamt, im Schritttempo heranrollt. Er widersteht dem Drang, den Ameisenhaufen zu zertreten, die Kammern im Innern mit den Eiern und Larven freizulegen und zu zertrampeln, und dreht sich nach dem Wagen um. Die Frau scheint ihn nicht zu beachten, aber er weiß, dass sie ihn im Rückspiegel betrachten wird, nachdem sie ihn passiert hat und auf die Kurve zusteuert, hinter der sie verschwindet. Kurze Zeit später kommt sie ihm wieder entgegen, lächelt und winkt mit einer Schachtel Zigaretten, als wäre sie deswegen unterwegs und ihre Begegnung ein Zufall. Mein Vater beginnt zu frieren. Er geht schneller, die Sonne bricht in einer Senke kurz durch die Wipfel. Er knöpft sein Jackett zu. Sein Spazierstock berührt kaum mehr den Boden. Er hetzt vierundzwanzig Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, er kann nicht anders, und dass die Frau keine Zigaretten holen musste, weiß er. Sie hat sich erst gestern eine Stange gekauft. Ihr Mann glaube, sie rauche nicht mehr, hat sie ihm gesagt und eine Zigarette zwischen den Fingern gedreht und wieder in die Schachtel zurückgesteckt. Sie wartete vielleicht, dass mein Vater etwas sagte, dass auch er ein Geheimnis preisgab, doch er streute weiter Grassamen aus und schwieg. Er hätte ihr dann vielleicht von mir erzählen müssen. Dass ich niemals die Kraft besitzen würde, eine volle Gusskelle lange genug zu halten, um eine Reihe Formkästen auszugießen, wie er es mit sechzehn schon konnte; dass ich mich in der Grundschule geschämt habe für ihn, weil er nur Gießer war und nicht Beamter oder sein eigenes Geschäft führte; dass ich absichtlich Fehler in meinen Mathematik-Hausaufgaben machte, als ich aufs Gymnasium gekommen war, die er nie entdeckte, kontrollierte er sie abends – und ich auf meinem Zimmer über seine Dummheit lachte und gleichzeitig traurig war; dass ich ihn mir ausschließlich geduckt und Anweisungen folgend vorstellen konnte bei einer Arbeit, für die man außer Kraft und Ausdauer nicht viel braucht; dass ich ihn nur anrief, um ihn zu fragen: Kannst du mir was Geld leihen? – und er mir immer Geld gab von seinem Ersparten; oder dass ich dann irgendwann begann, jeden vierten Donnerstag im Monat von München zu ihm zu fahren und ihn einzuladen.
    Es ist fast dunkel, als er nach Hause kommt. Manchmal überlegt er morgens, ein Licht brennen zu lassen, dass ihn nicht nur das Knacken des aufgeworfenen Linoleums im Flur unter seinen Sohlen und die Dunkelheit umfangen – hat er die Tür hinter sich zugeworfen –, bis das Haus wieder seinen Atem findet und mein Vater den Lichtschalter drückt. Aber jeden Morgen entscheidet er sich dagegen, um Strom zu sparen. Die Briefe vom Amtsgericht und die Post

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