Wofuer wir kaempfen
Spezialisten für den Personenschutz und ein eingespieltes Team. Sie sollen helfen, Anschläge zu verhindern.
Kurz vorher hatte ich Tino an seinem Geburtstag einen Heiratsantrag gemacht. Nach seinem Einsatz wollten wir unsere Hochzeit feiern, wir wollten Kinder haben und ein Haus bauen. Wir hatten Pläne für eine glückliche, friedliche Zukunft. Tino war voll auf seinen Einsatz konzentriert, während andere Soldaten, die sie ablösen sollten, sich auf die Rückkehr in die Heimat freuten. In Wesendorf bei Hannover wartet Ina Schlotterhose auf ihren Mann. Eigentlich sollte er erst Ende August 2005 zurückkommen vom Einsatz in Afghanistan. Doch er landet schon Ende Juni auf dem Militärflughafen Köln-Wahn. In einem Sarg. Am 25. Juni 2005 wurden Hauptfeldwebel Andreas
Heine und Oberfeldwebel Christian Schlotterhose sowie sechs afghanische Soldaten bei einem Anschlag in Rustaqu 120 Kilometer nordöstlich von Kunduz getötet. Schlotterhose hinterließ eine 24-jährige Ehefrau. Es war sein dritter Auslandseinsatz. Genau wie bei Tino.
Die Meldung in den Nachrichten über den Anschlag berührte uns – und doch schien alles so fern. Dass Tino in Kabul selbst Opfer eines Anschlags werden könnte, daran versuchten wir nicht zu denken.
Wie die meisten Deutschen wollten wir die Bilder des Anschlags von uns fernhalten und die letzten Junisommerabende vor dem Einsatz gemeinsam genießen. Auf Abstand halten, was verunsichert. Nach vorne schauen. Unsicherheit bedeutet Angst. Berufssoldaten wissen um das Risiko, das sie eingehen. Sie blenden es aus. Die Personenschützer bei den Feldjägern vertrauen auf ihre Spezialausbildung und darauf, dass sie Gefahrensituationen rechtzeitig erkennen und in Griff bekommen. Die Opfer, das sind immer die anderen – auch das würde sich als Irrtum herausstellen.
Tino holte sein Mountainbike aus dem Keller und fuhr noch eine Runde um den Staffelsee. Er liebte das Mountainbiking und den Radsport überhaupt und trainierte jeden Tag, oft auch mit Stefan Deuschl zusammen. Wenn er fährt, ruht Tino völlig in sich und ist eins mit seinem Körper, dann kann er total abschalten. Als Tino zurückkam, stehen 180 Zentimeter Muskelmasse vor mir, bei nur 70 Kilo Gewicht. Er sah glücklich aus. Tino ist ein schöner Mann: große Augen, ein gewinnendes Lächeln und eine sanfte Stimme. Ich bin immer noch sehr verliebt. Wir wohnten erst seit wenigen Monaten zusammen. Zeit, uns kennenzulernen, hatten wir bisher nur zwischen seinen Einsätzen gefunden. Er war fast mehr unterwegs in Afghanistan als zu Hause, seit wir uns im Juni 2003 kennengelernt haben.
Noch so ein Datum: Juni 2003, kurz vor Tinos erstem Afghanistan-Einsatz, kurz bevor ich Tino das erste Mal gesehen habe. Auch ich war damals bei der Bundeswehr und stand, wie Tino, vor meinem ersten Auslandseinsatz – er in Afghanistan, ich auf dem Balkan. Am 7. Juni 2003 jagte sich ein Selbstmordattentäter in einem gelben Taxi mit 150 Kilogramm Dynamit neben einem Mannschaftsbus der Bundeswehr in die Luft. Die Soldaten waren auf dem Weg zum Flughafen. Endlich zurück in die Heimat, endlich Pause nach dem anstrengenden Dienst für den Frieden am Hindukusch. Vier Soldaten sterben – Stabsunteroffizier Jörg Baasch, Oberfähnrich Andreas Beljo, Feldwebel Helmi Jimenez-Paradis und Oberfeldwebel Carsten Kühlmorgen – 29 weitere werden schwer verletzt. Es ist der erste direkte Angriff auf deutsche Soldaten mit Todesopfern nach dem Zweiten Weltkrieg. Es schien so, als wären die Bundeswehrsoldaten eher versehentlich diesem Anschlag zum Opfer gefallen, der eigentlich die US-Truppen hätte treffen sollen, die in der Operation »Enduring Freedom« den Terror der Taliban massiv bekämpfen. Niemand hatte damit gerechnet, dass es einen solch brutalen Angriff auf deutsche Soldaten geben könnte, die doch gekommen waren, um friedliche Wiederaufbauhilfe zu leisten. Doch von da an war klar, dass Afghanistan auch im deutschen Sektor unberechenbar und lebensgefährlich zu werden drohte.
Zwei Jahre später, an diesem Sommerabend im Juni 2005, wollten Tino und ich die Nachrichten von dem neuerlichen Anschlag in Kabul nicht an uns herankommen lassen. So wie viele Deutsche, denen allmählich immer klarer wird, dass es bei dieser Friedensmission nicht mehr nur um die Sicherung von Aufbaumaßnahmen in einem vom Bürgerkrieg zerstörten Land geht – sondern vielleicht um Krieg. Dieses Wort kam uns damals noch nicht in den Sinn. Anders als die Soldaten
der Verbände aus den
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