Zeds Story
draußen auf der Straße auf seinem Motorrad bemerkt und ihm die kalte Schulter gezeigt. Er war ihr bis an ihre Haustürgefolgt, wo er einen Hochstart hinlegte, damit sie sich noch mal zu ihm umschaute, und hatte einen verdatterten Blick geerntet. Er wünschte sich, sie würde nicht im Dunkeln durch die Gegend spazieren: Alles an ihr schrie förmlich heraus, dass sie ein leichtes Opfer war für jeden, der Böses im Sinn hatte.
Am Wochenende betrachtete er sich als vom Dienst befreit und überließ insgeheim Skys Eltern die Verantwortung für sie. Ein Junge wie er konnte nur bis zu einem gewissen Grad den Aufpasser spielen, ohne wahnsinnig zu werden. Gerade hatte er eine grauenvolle Sitzung mit seiner Familie gehabt, um einen Fall zu lösen, bei dem im Zusammenhang mit einem Drogendeal Kinder erschossen worden waren. Er konnte gut darauf verzichten, dem Blutbad, das in seinem Kopf ablief, noch Skys dramatische Zukunftserlebnisse hinzuzufügen. Und so reagierte er auch nicht sonderlich erfreut, als sich ihre Wege in der verlassenen Goldschürferstadt auf den Bergausläufern oberhalb von Wrickenridge trafen, ein Fleckchen, das so etwas wie sein persönlicher Zufluchtsort war, an den er sich oft zum Nachdenken zurückzog, und der mit seinen verfallenen Hütten und dem Ausblick aufs Tal eine beruhigende Wirkung auf ihn hatte. Dort hatte er schließlich den Versuch unternommen, sie zu warnen. Aber das Ganze war dermaßen schiefgelaufen, dass sie den Eindruck zurückbehielt, er wolle ihr Angst machen und wäre ein Fall für die Gummizelle. Er hätte die Warnung besser über Leute an sie weitergeben sollen, denen sie vertraute; stattdessen hatte er sie verschreckt.
Nach diesem Vorfall hätte er sich auf dem Rückweg in einer Tour ohrfeigen wollen.
Ihr nächstes Zusammentreffen verlief sogar noch katastrophaler, falls das überhaupt möglich war. Sky hatte sich am Schulaktionstag fürs Rafting angemeldet und dank des glücklichen Händchens seines Vaters bei der Einteilung der Boote war sie schließlich genau an seiner Seite gelandet. Neben ihr zu sitzen, während sie über alle Kanäle ihre Gedanken ausstrahlte – Aufregung, Angst, absurde Bildsequenzen erfundener dramatischer Szenen –, lenkte ihn total ab. Er musste nicht nur gegen das Wildwasser ankämpfen, sondern sich auch noch durch diese Informationsflut lavieren. Zumindest gab es nun keinen Zweifel mehr daran, wer hinter diesem Gedankenstrom steckte. Dermaßen abgelenkt ereilte ihn die Vorahnung, dass sie über Bord gehen würde, völlig überraschend. Er riss Sky noch hinunter auf den Boden des Raftingboots, aber im Eifer des Gefechts landete sie trotzdem im Fluss.
Lass dich treiben! Er schickte diesen Gedanken mit Wucht in ihre Richtung. Zum Glück folgte sie seinen Worten, und es gelang ihnen, Sky aus dem Wasser zu fischen, ohne dass Schlimmes passiert war. Trotzdem war er wütend, weil sie sich in Gefahr gebracht hatte, aber mehr noch verwirrte ihn, dass sie ihm die Schuld dafür gab. Warum war sie nicht einfach zu Hause geblieben, irgendwo, wo es sicher war, wo sie ihm nicht in die Quere kam? Er hatte einfach keinen Bock mehr, sich mit diesem Mist herumzuschlagen.
Aber das war noch nicht das Ende der Geschichte. Die Raftingtour war nur der Auftakt zu einer grandiosen Szene am darauffolgenden Tag auf dem Parkplatz. Er wartete mit ein paar seiner Kumpels draußen vorm Schulgebäude, entschlossen, sich erst im allerletzten Moment der Tyrannei der Bildungseinrichtung zu unterwerfen. Zed hielt bereits Ausschau nach Sky, obwohl er sich eher die Zehennägel ausgerissen hätte, als das zuzugeben. Sie tauchte zusammen mit Tina auf, ein Mädchen aus ihrem Jahrgang, das die kleine Engländerin anscheinend unter seine Fittiche genommen hatte. Er gab vor, nicht zu ihr hinzusehen, als Sky nach kurzem Zögern den Parkplatz überquerte und – halleluja! – auf ihn zumarschiert kam. Insgeheim freute er sich. Aufgrund ihrer Erscheinung war man versucht, sie als samtweiches Miezekätzchen abzutun, aber sie schreckte nicht davor zurück, im Beisein der härtesten Jungs der Schule auf Konfrontationskurs mit ihm zu gehen.
»Was ist eigentlich dein Problem?« Sky stand vor ihm und musste den Hals recken, um ihm ins Gesicht sehen zu können.
Gleich würde er losprusten müssen – nein, das konnte er nicht bringen. Sie sah einfach zum Anbeißen aus, aber ein Zed Benedict war immun gegen ›niedlich‹.
»Wie?« Er setzte sich die Sonnenbrille auf, um das leise Lachen in
Weitere Kostenlose Bücher