Zirkus zur dreizehnten Stunde
versuchte Fassung zu bewahren, auch wenn ihr Inneres zitterte, und sich vor Abscheu abwenden wollte.
Der Besucher setzte einen fast entsetzten Gesichtsausdruck auf. „Ich will dir nur helfen deine kindliche Naivität zu verlieren.“ Er nahm ihre Hand, führte sie langsam an seine Lippen und küsste sie. Sie waren kalt, kalt und mit einem Gift überzogen, von dem sie glaubte es würde durch ihre Haut dringen. „Du hältst diese Wesen in Schach, hinderst sie daran, sie selbst zu sein, und verdeckst diese Wahrheit unter dem Mantel der Rücksicht und Liebe.“ In seinem Blick hatte sich etwas verändert. Wie Schatten schienen sich Schlieren durch seine Augen zu ziehen. Was war das? Ein Strudel, der alles in sich aufzusaugen schien. Unerbittlich zog er, verschlang Gefühle und griff nach allem, was in seiner Nähe war.
„Verschwinde!“ sie zog sich ruckartig zurück. Ihre Arme schlangen sich um ihren Leib, als wollte sie sich selbst festhalten, um dem Sog nicht zu erliegen. „Sie wachsen hier auf und können sein, was und wie sie möchten!“
Sein Lächeln wurde breiter, und er senkte kurz den Blick, nur um sie aus halbgeschlossenen Augen wieder anzusehen. Ein Schnauben erklang. Voller Zynismus und Arroganz. „Dein Traum wird brennen.“
Wie Rauchschwaden, begann sich etwas um ihn zu manifestieren. Als würde sein ganzer Hass eine Gestalt annehmen wollen. Wie ein Wesen aus der Hölle, ein Dämon, der bereit war, zuzuschlagen.
„Verschwinde, wenn du nur hier bist, um Unruhe zu stiften“, Antigones Stimme wurde rau. Sie hatte jedes Mal Angst um ihre Schützlinge, wenn er da war. Seine Anwesenheit begleitete stets ein Gift, das sich wie ein bösartiger Bote in die Umgebung fraß.
„Dankt man etwa so einem Freund,“ er trat zwei Schritte zurück. Jede seiner Bewegungen schien von einem Schatten verfolgt zu werden, ließ alles an ihm unecht wirken.
Dieser Blick aus den funkelnden Augen ließ sie einfach nicht los. Als sie noch in ihrer ursprünglichen Heimat gewesen war, hatte sie bereits von ihm gehört. Er war eine Legende, eine düstere Legende. Der Feind von allem, was gut war. Ein grausamer Geist, der davon lebte, den Menschen das Blut zu rauben. Wäre es doch nur das Blut. Aber es war mehr. Viel mehr. Er nahm ihnen die Seele, zerstörte alles und labte sich an ihrem Elend. Den Fluch, den er an seine Opfer gab, war schlimmer als die ewige Verdammnis in der Hölle. Mütter hatten unter seinem Einfluss ihre Männer vernichtet und ihre Kinder getötet. Nicht auszudenken, was er ihren Schützlingen antun konnte.
Antigone versuchte seine Geschichte aus ihren Gedanken zu verbannen.
„Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir jemals Freunde waren“, sie versuchte ihre Stimme hart klingen zu lassen. Sie musste die Distanz wahren, durfte ihm gegenüber keine Schwäche zeigen, sonst war sie das Kaninchen und er der Wolf, der sie einfach fressen würde.
Er kam wieder näher! Überwand die kurze Distanz. Antigone wich erneut aus. Ein Baumstamm hielt sie auf, gab ihr Halt aber verwehrte ihr auch einen Ausweg. Sein Kopf senkte sich und seine Lippen erreichten ihr Ohr. „Wir“, zischte er, „haben mehr gemeinsam, als du denkst.“
Ihr Herz klopfte. Nein, es raste, schien sich aus dem Brustkorb befreien zu wollen, um so weit wie möglich zu fliehen. Ihre Seele bebte und ließ alles in ihr erstarren. Ein sanfter Hauch strich an ihrer Wange vorbei. Etwas war da, etwas schien sich ihrer zu bemächtigen, rief nach ihr.
Er ließ von ihr ab und das Gewand aus Luft und Atmosphäre fiel von ihr ab. „Dabei wollte ich dir nur sagen, dass die Dorfbewohner nach ihr suchen“, ein Schulterzucken. Er drehte sich halb weg.
Sie verlor den Halt, sank mit dem Rücken weiter gegen den Baum. Die Stimmlage war so anders, dass sich ihre Gedanken mehr darum drehten als um den Inhalt, den er ihr offenbart hatte.
„Sie sind aufgebracht“, sagte er weiter. Wie beiläufig strich er einige Fusseln von seinem Arm, beachtete sie gar nicht mehr.
Ihr Blick ging ins Leere. Sie war immer noch wie gefangen. Gefangen worin? Was war nur los? Er war es! Seine Spielchen. Doch allmählich kehrten ihre Sinne zurück und folgten wieder ihrem eigenen Geist. Als würde ihre Seele eine Kleidung ablegen, die sie niemals anziehen wollte. „Wir sind bisher immer entkommen“, auch ihre Stimme war gefasst. Mehr als erwartet. Antigone wandte sich ab, versuchte seinen Anblick zu vermeiden. Etwas war an ihm, das nach ihr rief, etwas, das eine
Weitere Kostenlose Bücher