Zurück im etwas anderen Tunesien
von links nach rechts ab und zähle die vielen Moscheetürme der Skyline durch.
Eins, zwei, drei, vier, fünf … Halt, halt, halt! Es waren immer viele Türme, aber so viele können jetzt nicht sein. Mein Blick geht etwas zurück und ich scanne noch einmal.
Moment, schau einmal richtig! Finde den Fehler und sage mir, was passt hier nicht ins Bild?
Ich glaube ich sollte mir lieber meine Brille holen, denn das ist doch jetzt ein Scherz, oder? Zwischen den Moscheen stehen plötzlich Dutzende überdimensionale Windräder. Das zerstört doch die ganze romantische arabische Optik!
HALLO! Kann die mal jemand wieder entfernen? Schlaf ich noch und träume, oder ist das gar eine Fata Morgana?
Nein, das gefällt mir überhaupt nicht! Es scheint sich doch so einiges in den letzten Jahren verändert zu haben, und dieses nicht gerade zum Vorteil.
Was wird mich erwarten, wenn ich nun unten auf meine Familie treffe? Normalerweise gehe ich beim ersten Zusammentreffen immer zusammen mit meinem Mann, damit er für mich übersetzen kann. Er scheint aber schon unten zu sein und so gehe ich langsam und vorsichtig die Stufen der Außentreppe hinab. Ich stehe vor der Eingangstür und höre schon eine Menge Stimmen durcheinander reden.
Meine Familie, nur noch durch eine Tür von mir getrennt. Ich schiebe sie auf und tadaaaaa, Vorhang auf zur Runde eins. Knappe zehn Personen stehen im Flur und diskutieren. Die Ersten stürzen auf mich zu und umarmen und küssen mich.
„Asslema, asslema, le bäs, le bäs!“. Ok, dich kenn ich und dich kenn ich und dich auch. Ganz hinten steht die Oma des Hauses, die Tante von meinem Mann, die seit dem Tod seiner Mutter quasi seine Ersatzmama ist. Sie schaut mich kurz an und diskutiert wild mit den anderen weiter. Alles lacht und eine Cousine stupst sie an. Jetzt erkennt sie mich endlich und sagt, dass sie gedacht hatte, ichwäre eine von den vielen Cousinen. Ich muss auch lachen, sehe ich denn inzwischen so arabisch aus?
Sie drückt mich und küsst mich und hört gar nicht mehr auf. Zweimal rechts, zweimal links reicht ihr nicht und so wird alles noch zweimal wiederholt. Der ganze Flur ist ein großes Gewusel und wir gehen nun lieber ins angrenzende Wohnzimmer. Direkt platzieren sie mich wieder auf dem besten Platz des Zimmers und polstern mich mit den altbekannten Kissen aus, damit ich es auch wirklich bequem habe.
Schwuppdiwupp steht ein Getränk vor mir und alles starrt mich nun erwartungsvoll an. Auch hier ist es einfach nur extrem heiß, obwohl es draußen heute relativ bedeckt ist. Schwuppdiwupp bekomme ich auch einen Fächer gereicht und ich nehme Teil am gemeinsamen Synchronfächeln, was soeben gestartet wurde.
Mein Blick schweift umher und ich versuche alle einzuordnen. Die kleineren Kinder schauen mich noch etwas verängstigt aber neugierig an und ich weiß sofort, dass es die beiden Töchter von Käsesuppen-Karim sind. Aber wer ist der etwas ältere Junge und die junge Dame neben mir, die mich so anstrahlt? Kann mir mal bitte jemand auf die Sprünge helfen?
Mein Mann ist nirgends zu sehen und ich muss wohl abwarten, bis er mich aufklärt. Nein muss ich nicht, denn in der Zwischenzeit haben viele Kinder Englisch gelernt und fangen nun an mit mir zu reden. Welch ein Glück, denn so kann ich nun auch ohne meinen Mann mich ein wenig mit der Familie verständigen. Die junge Dame neben mir sagt, dass sie sich so freut, mich zu sehen und dass sie so glücklich ist, dass ich Englisch spreche. Sie liebt diese Sprache und hat nun endlich jemanden, wo sie sie auch anwenden kann.
„Nice to meet you! But who are you?“
“Na ich bin doch Ikram, die Tochter von Karim! “, und der Junge, den ich nicht kenne, ist ihr Bruder Ahmed. Meine Güte sind die groß geworden, die habe ich ja ewige Zeiten nicht gesehen, da sie bei meinen letzten Besuchen nie anwesend waren.
Wie schön, ich habe endlich einen Dolmetscher, und auch die restliche Familie nimmt ihre Dienste direkt in Anspruch. Fragenüber Fragen prasseln über mich herein und ich habe das Gefühl, als erzählte ich mein ganzes Leben noch einmal von Anfang an. Aber ein schönes Gefühl, denn ich fühle mich bei ihnen so richtig zu Hause.
Einige Zeit später taucht auch mein Mann auf und sagt, dass wir gleich losfahren.
Wohin? Ist was geplant, was ich nicht weiß?
„Na wir holen mal eben den Internetstick für deinen Laptop.“
Wie holen? Ich denke es ist alles vorbereitet?
In Deutschland hatte mein Mann mir noch hoch und heilig
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