Zwei wilde kleine Hexen
Tee.
Lilli aber hüpfte wie ein Frosch durch das leere Zimmer. »Ich werd Hexe, ich werd Hexe!«
»Na, mal sehen!«, murmelte Elfriede. »Leicht ist es nicht.«
»Ich komm jeden Tag hierher«, sagte Lilli. »Jeden Tag.« Rosanna sagte gar nichts.
Neugierig sah die Hexe sie an. »Und du?«, fragte sie. »Große Krötenbeschimpferin? Was ist mit dir?«
»Sie hat keine Zeit«, sagte Lilli.
Rosanna warf ihr einen bösen Blick zu.
»Was soll das denn heißen?« Elfriede stellte ihre Tasse weg und zog Brunhilde aus der Tasche. Schläfrig hockte die Kröte auf ihrem Schoß.
»Ich könnte abends kommen«, sagte Rosanna.
»Abends kann ich aber nicht gut!«, rief Lilli empört. »Wenn meine Mutter zu Hause ist, komm ich nicht weg.«
Nachdenklich sah Elfriede Rosanna an. »Warum kannst du nur abends?«, fragte sie, während sie der Kröte den Kopf kraulte.
»Weil sie helfen muss«, sagte Lilli. »Weil das Eiscafé knallevoll ist, seit die Sonne scheint. Darum.«
»Stimmt«, sagte Rosanna, ohne die Hexe anzusehen.
»Ach, so ist das!« Kichernd setzte Elfriede die Kröte zur Seite. »Ach so! Unser kleiner Wetterzauber!«
»Was ist daran so lustig?«, fragte Rosanna ärgerlich.
Die Hexe kicherte immer noch. »Jeder Zauber hat seinen Preis. Wusstet ihr das nicht? Wo Licht ist, ist Schatten. Oder, wie ich auch gern sage – selbst der beste Zauber hat Stacheln.«
Mit einem Satz war sie auf den Beinen und ging zum Fenster. »Kein Wölkchen am Himmel«, stellte sie zufrieden fest. »Wird sich aber nicht halten. Wenn es euch ein Trost ist, Wetterzauber wirken dreizehn Tage. Genau dreizehn Tage. Und was dann? Sonne ist euch nicht recht, Regen ist nicht gut. Was dann?«
Sie setzte sich aufs Fensterbrett und baumelte mit den Beinen. »Irgendwelche Vorschläge?«
Rosanna schüttelte den Kopf und verbarg ihre Nase zwischen Ramses’ Ohren.
»Keine Ahnung.«
»Na, dann wird die liebe Elfriede sich was einfallen lassen! Schließlich bin ich wegen zwei Schülerinnen hier. Nicht nur wegen einer.« Sie steckte den Kopf nach draußen. »Ziemlich spät schon. Ich glaube, ihr müsst ins Bett. Und ich«, gähnend rekelte sie sich auf dem Fensterbrett, »ich auch.«
Widerwillig gingen die Mädchen auf das offene Fenster zu. Ramses und Zorro machten keine Anstalten, ihnen zu folgen.
»Wenn Rosanna morgen keine Zeit hat«, sagte Lilli, »können wir dann nicht schon mal mit dem Fliegen anfangen? Das will sie doch sowieso nicht lernen.«
Lachend hüpfte Elfriede vom Fensterbrett. »Nein, morgen muss ich mich um Rosannas kleines Problem kümmern! Hab da schon so eine Idee. Aber ich muss das erst mal überschlafen. Also macht, dass ihr rauskommt, sonst schnarch ich gleich im Stehen.«
»Komm, Zorro«, sagte Lilli. Aber der große Hund hatte seine Schnauze auf den Rücken von Ramses gelegt und rührte sich nicht.
»Zorro!«, rief Lilli und stampfte mit dem Fuß auf. »Komm!« Elfriede schnalzte einmal mit der Zunge und Zorro stand steifbeinig auf.
»Bring ich dir auch noch bei«, sagte die Hexe zu Lilli.
Die Mädchen kletterten aus dem Fenster und ihre Tiere folgten ihnen.
»Träumt was Aufregendes«, sagte Elfriede und guckte zum Mond hinauf. »Wir treffen uns morgen im Eiscafé. Um zehn Minuten vor Mitternacht.«
»Im Eiscafé?«, fragte Rosanna verdutzt.
»So spät?«, fragte Lilli.
Die Hexe nickte und zwinkerte ihnen zu.
»Und nicht, dass ihr hier vorher auftaucht. Ich habe einiges vorzubereiten.«
»Wieder ein Zauber mit Stacheln?«, fragte Rosanna besorgt.
»Sicher. Aber es wird ein Weißer Zauber sein. Und die bringen bekanntlich Glück, wenn auch auf krummen Wegen.« Elfriede hielt ihren Arm aus dem Fenster und ihre Schlange kroch hinab ins dunkle Gras. Lautlos verschwand sie in der Dunkelheit. »Meine Tiere müssen sich ihr Abendbrot selber fangen«, sagte Elfriede. »Ich übernehm das nicht für sie. Schließlich bin ich Vegetarierin.«
»Und wenn sie jemanden beißt?«, fragte Lilli erschrocken.
»An wen hattest du denn da gedacht?«, fragte die Hexe, raffte ihr Kleid und stieg auch aus dem Fenster. »Klara bevorzugt Mäuse. Menschen sind zu groß und schwer verdaulich. Außerdem ist lautes Herumgetrampel Schlangen ein Graus. Nein, nein!« Gähnend schüttelte Elfriede den Kopf und sah sich um. »Der schlechte Ruf der Schlangen ist nichts als üble Nachrede. Mutterkorn und Eisenkraut, wo schlaf ich denn heute mal? Ja, ich glaub, der Baum da ist genau richtig. Gute Nacht, ihr vier!«
Ohne sich noch einmal
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