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Zwischen Vernunft und Sehnsucht (Julia) (German Edition)

Zwischen Vernunft und Sehnsucht (Julia) (German Edition)

Titel: Zwischen Vernunft und Sehnsucht (Julia) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie West
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fluchte leise.
    „Moment, da ist noch eine. So, jetzt können Sie zum Sessel gehen, Mr Carstairs.“
    Er rührte sich nicht vom Fleck. Reglos wie eine Bronzestatue stand er da, während Blut aus der Wunde an seiner Ferse sickerte.
    „Wären Sie wohl so liebenswürdig, mir zu helfen, Ms Daniels?“
    Irritiert legte sie Handfeger und Kehrblech zur Seite und stand auf. Er würde es doch wohl schaffen, allein über die Veranda zu humpeln.
    „Soll ich Sie stützen?“
    Ein Anflug von Ärger zeigte sich auf seiner Miene. „Zu gütig, aber es genügt, wenn Sie mir die Hand reichen.“
    Verwirrt kam Chloe seiner Bitte nach. Warm und fest schlossen sich seine langen kräftigen Finger um ihre schmale, von der Hausarbeit raue Hand. Ein Schauer durchlief Chloe, als sie die vernarbte Innenfläche seiner Hand an ihrer spürte.
    Sie sah kurz zu ihm auf. Die Linien rechts und links seines Mundes verrieten, dass er mehr Zeit damit verbrachte, die Lippen zusammenzupressen als zu lächeln.
    Seine Züge waren so angespannt, dass die Narbe auf seiner Wange deutlich hervortrat. Warum sagte er nichts?
    „Sie sollten sich setzen, damit ich den Splitter aus Ihrem Fuß ziehen kann. Dann tut es nicht mehr so weh.“
    Sein hartes zynisches Lachen ließ sie erschrocken zu den dunkel getönten Gläsern seiner Sonnenbrille blicken.
    „Die Schmerzen sind mir egal.“ Er atmete langsam und kontrolliert aus. Seine Hand schloss sich fester um ihre. „Führen Sie mich einfach zum Sessel.“
    „Ich soll Sie … führen?“
    „Ja, verdammt! Haben Sie nicht kapiert, dass Sie es mit einem Blinden zu tun haben?“
    Mit angehaltenem Atem wartete er auf die unvermeidlichen Mitleidsbekundungen. Am liebsten hätte er die Hand seiner Haushälterin weggestoßen.
    Er brauchte kein Mitleid. Er brauchte auch keine Gesellschaft. Dummerweise aber brauchte er Hilfe, wenn er nicht riskieren wollte, sich noch mehr Scherben in die Füße zu treten. Oder sich an den Pfosten der Pergola ein blaues Auge zu holen und sich damit vor dieser Frau komplett lächerlich zu machen.
    Bitterkeit überkam ihn, als er daran dachte, wie oft er in letzter Zeit gestolpert war. Wie vieles von dem, was er früher für selbstverständlich gehalten hatte, ihm nun nicht mehr möglich war.
    „Verzeihung, aber mir war nicht klar, dass Sie blind sind.“ Zu seiner Verblüffung war ihr Ton unverändert sachlich und frei von jedem unpassenden Mitgefühl.
    Schon legte sie einen Arm um seine Hüften und schob ihre Schulter unter seine Achsel. „Es geht besser, wenn ich Sie stütze.“
    Er hätte dankbar sein müssen für ihre nüchterne, zupackende Art. Doch die weichen Rundungen ihrer Brust und ihrer Hüfte und der zarte Vanilleduft, der ihrem sonnenwarmen Haar entstieg, brachten ihn völlig aus der Fassung.
    Wann hatte er das letzte Mal eine Frau in den Armen gehalten? Würde er es je wieder tun?
    „Nein!“ Wütend schob er sie von sich. „Ich kann allein gehen, geben Sie nur die Richtung vor.“
    „Wie Sie wünschen.“
    Ohne ein weiteres Wort setzte sie sich in Bewegung, und er folgte ihr. Sie ging weder zu schnell noch zu langsam und machte auch nicht so ein Getue um ihn wie David, sein Assistent, dem er das erst nach Wochen hatte abgewöhnen können.
    „So, da wären wir. Der Sessel steht links von Ihnen.“ Sanft zog sie Declan in die richtige Richtung und legte seine Hand auf die Lehne. Den Rest überließ sie ihm.
    „Warten Sie hier, dann hole ich das Verbandszeug.“
    „Ich hatte nicht vor, fortzulaufen.“
    Er hörte sie leise lachen, dann war sie weg und er wieder allein.
    Inzwischen hätte es ihm vertraut sein müssen, dieses Gefühl der Isolation. Das manchmal so bedrückend intensiv war, dass er Angst bekam, eines Tages wirklich allein zu sein. Mutterseelenallein und von allen verlassen in dieser Dunkelheit.
    Kindisch, diese Panik. Doch noch immer schreckte er mitten in der Nacht hoch, schwer atmend und mit rasendem Herzklopfen, und griff verzweifelt in die tiefschwarze Leere, die ihn umgab.
    Dabei hatte er gerade die Einsamkeit hier in den Bergen gesucht. Als Erholung von der Hektik, die ihm sein übervoller Terminkalender bescherte. Beschert hatte .
    Denn damit war es nun vorbei. Trotz Davids Hilfe hatte er diverse Aufgaben an seine Mitarbeiter delegieren müssen, damit die Geschäfte weiterliefen.
    Heftiger Zorn, sein ständiger Begleiter, loderte in ihm auf. Dass er überlebt hatte, machte ihn nicht glücklich, sondern erzeugte nur Trauer und Schuldgefühle in

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