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Fluch der Leidenschaft

Fluch der Leidenschaft

Titel: Fluch der Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Beverley
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    England, 1101
    Imogen von Carrisford stand in der dunklen Kälte, zitternd ob der gedämpften Geräusche, die von Grauen kündeten. Selbst hier, in den Geheimgängen ihrer Burg, war das Kampfgetöse zu hören, wütendes Kriegsgebrüll, hektische Befehle und Schreie des Entsetzens.
    Todesschreie.
    Ein Lärm, der von Schrecken zeugte, die jedes Vorstellungsvermögen überstiegen.
    Doch durch ihr kleines Guckloch sah sie nur den geräumigen Saal von Carrisford Castle – leer, unversehrt und von Kerzen und Fackeln erhellt. Das Einzige, was dort an Gewalt gemahnen mochte, waren die kostbaren seidenen Wandbehänge, auf denen Krieger mit goldenen Schwertern gegeneinander kämpften.
    Die Tische im Saal waren nach dem Abendessen entfernt worden, doch die mächtige Hohe Tafel aus massiver Eiche stand an ihrem Ort, und dahinter die beiden großen Lehnstühle: der Platz ihres Vaters und ihr eigener.
    Ihr Vater war tot.
    Ein Krug Wein und einige Kelche erinnerten noch an die so brüsk unterbrochene Zusammenkunft. Sie war mit den Verwaltern ihres Vaters hier gesessen, um alle nötigen Vorkehrungen für die Zukunft zu treffen. Einer der silbernen Becher war umgekippt; roter Wein lief über die Tischplatte und tropfte langsam in die Binsenmatten auf dem Boden – das einzige Anzeichen von Unordnung.
    Der friedliche, vertraute Raum verlockte sie, ihr dunkles, feuchtkaltes Versteck zu verlassen, doch sie tat es nicht. Sir Gilbert de Valens, der Marschall ihres Vaters, hatte sie in den geheimen Korridor geschoben und ihr eingeschärft, unter allen Umständen dort auszuharren. Denn die Eindringlinge, wer immer sie sein mochten, waren sicher nur aus einem Grund gekommen: um den Schatz von Carrisford zu rauben – sie, Imogen, die alleinige Erbin des großen Vermögens und aller Ländereien ihres Vaters.
    Der Geheimgang war so eng, dass die meisten Menschen ihn nur seitwärts passieren konnten. Obwohl Imogen nicht so groß war wie ein Mann, streifte sie manchmal die Wand, und die von den großen Steinen ausgehende feuchte Kälte kroch unter ihr Kleid.
    Vielleicht waren es aber auch die eisigen Schauer des Entsetzens.
    Oder es war das unerträglich lange Warten.
    Imogen wäre viel lieber draußen in dem Getöse gewesen, als hier im Dunkeln zu kauern. Als Herrin von Carrisford sollte sie bei ihren Leuten sein, dachte sie.
    Jemand war in die Burg eingedrungen, aber wie ?
    Carrisford war eine mächtige, uneinnehmbare Festung. Ihr Vater hatte gesagt, Carrisford könne selbst dem Ansturm von ganz England standhalten.
    Imogen unterdrückte ein Wimmern. Ihr Vater war tot.
    Der schmerzliche, unerwartete Verlust nahm so vollkommen Besitz von ihrem Bewusstsein, dass sie darüber sogar die grauenhaften Geräusche vergaß.
    Wie hatte Bernard von Carrisford, der mächtige Lord von Westengland, so rasch an einer kleinen Jagdverletzung sterben können?
    Father Wulfgan sagte, es sei die Hand Gottes gewesen. Der Kaplan hatte Imogen eingeschärft, sich stets vor Augen zu halten, dass ein solches Schicksal die Mächtigen ebenso rasch ereilen könne wie das einfache Volk. Er hatte wohl recht. Die zunächst harmlos scheinende Fleischwunde hatte zu eitern begonnen, und ehe sie es sich versahen, hatte ihr Vater das Wundfieber bekommen, und weder heißes Eisen noch Breiumschläge, weder Wundkraut noch Weihwasser hatten die Ausbreitung verhindern können.
    Bereits im Todeskampf hatte Bernard noch ein Gesuch um Beistand an den König diktiert und dann befohlen, die Burgtore zu sichern und niemanden einzulassen außer dem königlichen Gesandten. All dies sollte sein einziges Kind schützen, das mit seinen sechzehn Jahren nun dem Erstbesten ausgeliefert war, der die Nachricht vom Tod des Burgherrn erfuhr. Seine einzige Tochter, die sich nun zitternd vor Furcht und Kälte in diesem kalten, dunklen Loch versteckte.
    Es schien unmöglich, und doch war es geschehen. Noch ehe die Erde auf Lord Bernards Grab geglättet war, hatte bereits ein raffgieriger Kämpe vom Ableben des Herrn von Carrisford erfahren und war in die Burg eingedrungen. Es musste Verrat im Spiel gewesen sein, doch darum durfte Imogen sich jetzt noch keine Gedanken machen. Zunächst war sie vor das Problem gestellt, dem groben Werben dieses Mannes zu entkommen.
    Das Geschrei wurde lauter; Imogen wich von dem Guckloch zurück. Doch als ein gellender Schrei erscholl, blickte sie erneut hindurch. War das ihre Tante Constance gewesen? Sicher nicht. Wer würde einer so netten, freundlichen Dame etwas

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