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Zwischenfall in Lohwinckel

Titel: Zwischenfall in Lohwinckel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baum Vicki
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Menschen. Bitte, betrachten Sie die Symptome genau!‹ Na. Wenn ich Geheimrat wäre –«
    Persenthein fiel in Gedanken. Er baute ein unsinniges, kleines, totgeborenes Luftschloß. Er saß seit langem an einer Arbeit über den Fall Lungaus – und über noch ein paar relativ überzeugende Fälle in Obanger, die sich einigermaßen seinen verwickelten Lebensvorschriften unterzogen hatten. Nun gut. Diese Arbeit mußte einmal fertig werden. Sie ging an die Universitäten, an die medizinischen Gesellschaften. Die Arbeit wurde gedruckt. Die Arbeit machte Aufsehen. Es kamen Kapazitäten nach Lohwinckel, um an Ort und Stelle seine Erfolge nachzuprüfen. Persenthein konnte sich eine Kapazität in Lohwinckel – wo abends die Ziegen durch den Ort getrieben wurden und hinter der Kirche noch der Ententümpel lag – nicht vorstellen. Aber da er einmal beim Phantasieren war, ließ er eben einige Kapazitäten kommen, nachprüfen und staunen. Dann kam die Berufung. Dann kam –
    »In die Fabrik geh ich nicht. Und daß Sie mir gesund schreiben, ist 'ne richtige Gemeinheit, ist das«, sagte Lungaus. Persentheins Luftschloß knallte eilig zusammen und hinterließ den bitteren Geschmack fruchtlosen Ehrgeizes an seinem Gaumen. »Schlechte Luft hier«, murmelte er. »Schluß, Lungaus.«
    Lungaus verließ den weißen Emailrand des Untersuchungsstuhles.
    »Also?« fragte er an der Tür.
    »Also. Montag wird in der Fabrik angetreten«, erwiderte Persenthein nur. Er konnte hart hinschlagen mit seinem Willen, wenn es sein mußte. Lungaus kannte ihn.
    »Schön. Montag also«, antwortete er deshalb gehorsam und verzog sich augenblicklich. Draußen stand schon die Frau in der Diele, wartend und mit forschendem Gesicht. »Wie ist er denn?« fragte sie leise.
    »Scharf, Mutter, scharf«, sagte Lungaus geduckt.
    »Sie müssen jetzt baden, Lungaus, damit wir nachher die Wannen sauber machen können«, sagte Elisabeth und ließ sich nichts anmerken. Ein böser Tag mit der Meldung von Jakob Wirz' amputiertem Arm im Block.
    »Sind keine von den Kaninchen mehr unten?« fragte Lungaus, der von Persenthein gelernt hatte, die Feindschaft der Lohwinckler mit grimmiger Verachtung zu erwidern.
    »Nur noch zwei. Nur hinunter mit Ihnen. Das Essen ist schon fertig für Sie«, sagte Elisabeth, nahm sich zusammen und trat ins Ordinationszimmer ein. Sie hatte in letzter Zeit die Gewohnheit angenommen, sich einen kleinen Ruck zu geben, bevor sie Kola unter die Augen kam; aber das wußte sie nicht. Kola war gerade dabei, einen Abstrich postfertig zu verpacken und an das Hygienische Institut in Schaffenburg zu adressieren. »Kann ich schon Ordnung machen?« fragte Elisabeth und öffnete das Fenster. »Ach – Luft –«, sagte Kola zerstreut; er hatte abwesende Augen, und es war ersichtlich, daß er Elisabeth nicht bemerkte. Er stand auf, wusch sich die Hände und begann mit finsterer Miene einen seiner kleinen Rundläufe um den Untersuchungsstuhl.
    »Müde?« fragte die Frau, bekam aber keine Antwort.
    »Man müßte mal –« sagte Persenthein drei Minuten später und ohne Zusammenhang.
    »Ja. Soll ich Schroeder anrufen?« fragte sie sofort, denn sie war so zu Hause in seinen Gedanken, daß sie keine Wegweiser brauchte.
    »Ich möchte am liebsten von dieser versauten Geschichte mit dem Wirz nichts mehr hören«, antwortete er. »Ja. Kannst anrufen«, setzte er nach einem Augenblick hinzu, während dessen Elisabeth ihn angesehen hatte. Mitleid war in ihrem Blick und die Angst, das Mitleid zu zeigen. Während sie an der altmodischen Telefonkurbel drehte, holte er das Krankenblatt des Jakob Wirz hervor und begann es, heftig rauchend, zu studieren.
    »Wann willst du essen?« fragte die Frau, während sie darauf wartete, daß das Ferngespräch mit dem Krankenhaus in Schaffenburg gemeldet würde.
    »Ach laß. Ganz schnuppe.«
    Elisabeth trug den Abfalleimer hinaus, vor der Tür draußen seufzte sie ein bißchen, und dann kam sie wieder zurück. Es war nicht abwechslungsreich, was geschah, nein, und man verstand, daß der Mann ungeduldig wurde. Aber aus was bestand die Ehe, wenn nicht aus diesen Fragen: Bist du müde? Wann willst du essen? Warum schläfst du nicht? Es waren die ewigen, unveränderlichen Fragen der Frau an den Mann, von Urzeiten her. Elisabeth schaute Persenthein von der Seite an, spähend, besorgt, mitleidig und ein klein wenig aufsässig; er spürte den Blick und empfand ihn als Last, er jagte ihn mit einem kleinen Zucken seiner Schultern von sich

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