Julia Exklusiv Band 0197
1. KAPITEL
Cleo Rossiter strich durch ihr hellblondes Haar und schaute ihren Vater ärgerlich an. „Wie konntest du das alles vereinbaren, ohne mich zu fragen?“
„Du warst im Ausland bei einem Foto-Shooting“, erwiderte er. „Natürlich habe ich versucht, dich anzurufen, konnte dich aber nicht erreichen.“
Sie warf ihm einen misstrauischen Blick zu. „Hast du dich auch wirklich darum bemüht? Normalerweise funktionieren die Telefone auf den Bermudas problemlos.“
„Vielleicht gab es irgendwelche Schwierigkeiten mit den Leitungen“, erwiderte er ungerührt. „Außerdem dachte ich, es würde dir nichts ausmachen. Ich sprach mit deinem Agenten, und der erklärte mir, du hättest bis zum Monatsende nichts zu tun.“
„Weil ich Urlaub machen wollte! Den ganzen Sommer habe ich als Model gearbeitet. Ich brauche ein paar freie Tage – und mit dieser Zeit weiß ich was Besseres anzufangen, als mich portraitieren zu lassen.“
„Bei den Sitzungen kannst du dich entspannen. Und der Lake District eignet sich ideal für kurze Ferien. All die Berge, die frische Luft, die Landschaft – dort wird es dir sicher gefallen.“
„Im Lake District regnet es sehr oft“, betonte Cleo.
„Den ganzen Sommer hast du dich über deine Fototermine in all diesen heißen Ländern beklagt.“
„Das heißt noch lange nicht, dass ich nass werden und rumsitzen will, während mich irgendjemand malt.“
„Ich weiß. Trotzdem bitte ich dich darum.“
„Wieso? Du hast ein paar Dutzend Fotos von mir, und ich kann dir noch mehr besorgen.“
„Nicht einmal der beste Fotograf kann ein Gesicht so lebendig festhalten wie ein Maler“, entgegnete der Vater. „Am Monatsende feierst du deinen dreiundzwanzigsten Geburtstag, Cleo. Das Bild soll neben dem Portrait deiner Mutter hängen.“
Krampfhaft schluckte sie und erkannte zu spät, wie dumm und gefühllos sie war. Hätte ihr nicht die Zeitverschiebung nach der langen Flugreise zu schaffen gemacht, wäre ihr schon früher klargeworden, warum sich der Vater ein Portrait von ihr wünschte.
Ihr dreiundzwanzigster Geburtstag … So alt war ihre Mutter bei der Hochzeit gewesen. Damals hatte Vater sie malen lassen. Neun Monate später kam Cleo auf die Welt, ein Flitterwochen-Baby. Und nur fünf Jahre später war ihre Mutter, wenige Tage nach einer Totgeburt, gestorben. Seither standen sich Vater und Tochter sehr nahe. Er hatte nie wieder geheiratet, und sie war mit keinem ihrer Freunde eine ernsthafte Beziehung eingegangen. Niemand konnte sich mit dem charakterfesten, willensstarken Mann messen, der sie großgezogen hatte.
„Ich habe mich in den letzten Wochen genau informiert“, erklärte er nun. „Offenbar gibt es keinen besseren Portraitmaler als Maxim Brenner. Ich sah mir einige seiner Arbeiten an, und die sind wirklich ausgezeichnet. Nur mühsam konnte ich ihn überreden, diesen Auftrag zu übernehmen, denn er ist sehr gefragt und über Monate hinweg praktisch ausgebucht. Da ihm die Zeit fehlt, nach London zu kommen, musst du zu ihm in den Lake District fahren und dort ein paar Tage verbringen, bis das Bild fertig ist. Sein Haus hat einen Anbau, in dem die Klienten während ihres Aufenthalts wohnen.“
„Ein paar Tage?“, wiederholte Cleo unbehaglich. „So lange dauert das?“
„Gute Portraits kann man nicht an einem einzigen Nachmittag vollenden. Außerdem ist Mr. Brenner sehr beschäftigt. Er hat pro Tag nur wenige freie Stunden, die er für dein Bild opfern will, und deshalb weiß er nicht, wie lange er brauchen wird.“
„Dann fahre ich lieber täglich für ein paar Stunden hin.“ „Im Voraus vermag er nicht zu sagen, wann er Zeit finden wird. Deshalb sollst du in diesem Anbau wohnen und für die Sitzungen zur Verfügung stehen, wann immer er es einrichten kann. Außerdem liegt Cumberland immerhin sechshundert Meilen von London entfernt.“ Cleos Vater runzelte die Stirn. „Übrigens, ich muss dich warnen. Mr. Brenner ist angeblich ein sehr schwieriger Mensch, und er besteht auf seiner künstlerischen Freiheit. Die Klienten dürfen also keine Wünsche bezüglich ihrer Portraits äußern.“
„Großartig“, bemerkte Cleo trocken.
„Sicher wirst du keine allzu großen Probleme mit ihm haben. Ihr werdet euch wahrscheinlich nur bei den Sitzungen sehen. Aber vergiss bitte nicht – dieses Bild bedeutet mir sehr viel. Und ohne deine Mitarbeit werde ich’s nicht bekommen.“
„Warum hast du mir nicht früher davon erzählt?“, fragte sie leise.
„Ich
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