Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Greiff
Vom Netzwerk:
und Auswüchse bekam, die zu Fingern wurden. Eine Hand streckte sich ihm entgegen. Sie begann sich von den Fingerspitzen her aufzulösen. Begleitet von einem Seufzen zerstob sie.
    Felt zog sein Schwert. Auf Andas hohen Ton folgte ein Echo, das nicht natürlich war, sondern eine Nachahmung. Auch Babu zückte seinen Dolch, was mit einem langgezogenen
Ach
quittiert wurde, das in ein gackerndes Gelächter überging. Felt hieb durch die Luft.
    Das Lachen erstarb.
    In weiter Ferne hörte er nun das Donnergrollen eines aufziehenden Gewitters. Der Himmel war klar. Der Donner kam dennoch näher, scheinbar aus allen Richtungen und sehr schnell.
    »Das ist nicht wirklich«, sagte Babu heiser.
    »Aber ich höre es auch«, sagte Felt.
    Der Satz war untergegangen in dem Grollen, das anschwoll und unaufhaltsam auf sie zurollte. Felt meinte über dem dröhnenden Trommeln nun einzelne Rufe zu hören   – war das ein unsichtbares Heer, das auf sie einstürmte? Er spürte, wie sein Atem sich beschleunigte, wie seine Hand sich um den Schwertgriff krampfte, wie er die Augen aufriss. Ein Ring aus Staub erhob sich um die beiden Rücken an Rücken stehenden Männer. Immer höher wuchs die Wolke, blähte sich und zeigte ihnen schließlich, was da von allen Seiten auf sie zuraste: eine wild gewordene Herde großer Rinder, die mächtigen, gehörnten Köpfe gesenkt, die massigen Leiber eine bebende Wand aus Muskeln.
    Felt spürte das Gewicht des Merzers in seinem Rücken, der wie er zurückweichen wollte und nicht konnte, sie stemmten sich gegeneinander.
    Die Herde zerstob, der Staub legte sich so schnell wie ein schweres Tuch, das von der Leine gerutscht war.
    Stille, nur das Konzert des Windes, sehr leise nach dem ohrenbetäubenden Lärm. Felt sah die Schwertspitze zittern. Dann hörte er Flüstern und unterdrücktes Kichern wie von einem Kind, das sich einen Tadel eingefangen hat, der es wenig kümmert.
    Wut stieg in ihm auf. Diese Posse zerrte gewaltig an seinen Nerven und schließlich verlor er die Beherrschung: Er stach sein Schwert ins Leere, nur um irgendetwas zu tun, um das Zittern loszuwerden.
    Aber er traf. Die Klinge war eingedrungen. Er sah nichts, dasSchwert steckte im Leeren. Aber es steckte in einem Körper, das konnte er deutlich spüren. Felt zog es wieder heraus   – und hörte ein gurgelndes Geräusch, ein schmerzhaftes Aufstöhnen, das Flehen eines Sterbenden: »Hilf mir, so hilf mir doch!«
    Felt stach abermals zu, selbst fassungslos über das, was er tat. Ein gellender Schmerzensschrei hallte durch die Nacht, gefolgt von einem Seufzer voller Qual und einem letzten, nur noch gehauchten »Hilf mir«. Felt glaubte, sein Herz setze aus: Das war Gerders Stimme. Unverkennbar. Das war die Stimme seines toten Kameraden.
    Das Schwert fiel ihm aus der Hand.
    »Was hast du getan?«, fragte der Tote. Die Stimme war angefüllt mit Entsetzen und Abscheu   – und kam nun von einem Punkt links hinter Felt, drei oder vier Schritte entfernt. Babu stürzte sich darauf. Felt sah, wie auch der Dolch auf Widerstand traf, wie Babu in die Knie ging, als ob das Gewicht eines in sich zusammensackenden Körpers auf seine Faust drückte. Der Merzer ließ den Dolch los, der einen Bogen in der Luft beschrieb und dann mit der Spitze nach unten über dem Boden schwebte   – ganz so, als stecke er im Leib des auf dem Rücken liegenden Opfers.
    Kein Stöhnen. Kein Schrei. Nur die sachliche Feststellung: »Man vergisst den Mann nicht, den man getötet hat.«
    Babu wich hastig zurück.
    »Oder?«, fragte die Stimme.
    Babu stolperte rückwärts, fiel über seine eigenen Füße, saß auf dem Boden.
    Der Dolch klirrte auf den Stein. Babu sog bebend Luft ein, Felt brüllte: »
Reva! Reva! Wo bist du? Reva!
«
    Er hatte mit all seiner Kraft nach ihr gerufen und ihr Name klatschte gegen die steinerne Fassade der grotesken Stadt, zersprang in viele kleine Schreie, jämmerliche, hilflose Echos.Deutlich stand Felt ein Gedanke im Bewusstsein:
Ich verliere den Verstand.
    »Da ist Juhut!«, rief Babu. Die Silhouette des Falken, weiß schimmernd im Mondlicht, glitt über den Himmel. Dann stürzte sich der Himmel auf sie.

 
    VIERTES KAPITEL
LASZKALIS
     
    Felt hatte das Gefühl, als drücke jemand sein Gesicht in ein Dornenkissen. Tausende kleine Sandkörner bohrten sich in seine Haut, fraßen sich unter Rüstung, Helm und Kleidung, drangen ein in Nase, Mund, Ohren und Augen. Er stöhnte auf vor Schmerz. Sein Mund war augenblicklich wie mit trockenem, rauem

Weitere Kostenlose Bücher