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Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Greiff
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Ohne Liebe gibt es keine Zukunft.«
    Felt schluckte, denn er war sich sicher: Diese dritte Quelle würde er niemals zu Gesicht bekommen und er würde niemals direkt aus ihr trinken.
    »Smirn ist auf dem Weg dorthin«, sagte Reva. »Vielleicht ist sie schon angekommen, in Wiatraïn vergisst einen die Zeit.«
    Smirn war auf dem Weg   … und Marken begleitete sie. Dies allein war etwas, das die Besorgnis schmälerte. Warum es Felt dennoch so betrübte, dass er nicht selbst bis zur Quelle der Liebe gehen sollte, war ihm nicht ganz klar. Ihm kam es nur so vor, als ob sogar unter den Großen Drei eben jene die bedeutsamste war.
     
    Der Hafen von Wiatraïn war ein bedrückend schöner Ort. Die weißen Wogen des Bersts schwappten geräuschlos in die langgezogene steinerne Bucht. Der Mond stand groß, voll und hell am Himmel, wie er es über dieser Stadt immer tat. Er legte sein blankes Licht auf das geschliffene Ufer und auf schlanke Boote, die wie sich sonnende Eidechsen still am Saum der Wolken lagen. Laszkalis hatte sie auf seinen langen Armen hierhergetragen. Während des Flugs   – der, wenn man sich darauf einließ, ein angenehmes, schwebendes Drehen war   – hatte Felt die Augen geschlossen gehalten. Er hatte sich schwerelos gefühlt und war für einige Momente zurückversetzt in die säulengestützte Halle der Quelle von Pram, als das gleißende Licht ihm die Last seiner Existenz von den Schultern gehoben hatte. Wenn dieser Flug ein Vorgeschmack auf das ewige Vergessen war, das sie in Wiatraïn hätten erlangen können, so war Laszkalis’ Angebot mehr als großzügig gewesen. Und sie waren grenzenlos dumm, es auszuschlagen.
    Aber dann stand Felt wieder auf festem Boden, spürte neben sich Revas Kühle und sah im Augenwinkel ihr Gewand silbrig schimmern. Babu wurde vor ihnen auf die Füße gestellt und strich sich die Haare aus dem Gesicht. Es war einen Atemzug lang nicht von dem Ernst verschleiert, der Menschen zeichnet, die einen ständigen Schmerz ertragen müssen. Und Feltwusste: Das Angebot selbst war bereits das größte Geschenk gewesen, das er je bekommen hatte   – er hatte die Aussicht auf Gnade gehabt. Er war nicht in sie eingetaucht. Aber er hatte ihren Glanz gesehen und ihren Widerhall gehört. Er konnte sich nun sicher sein, dass es sie gab   – wer konnte das schon von sich behaupten?
    »Ich bin in meinem Leben noch nie mit einem Boot gefahren«, sagte Babu und strich mit der Hand über einen glänzend polierten Rumpf. »Und nun soll es eines aus Stein sein.«
    »Schaut nicht zurück«, sagte Reva. »Und schaut nicht hinunter. Nur nach vorn.«
     
    Sie hielten sich daran. Sie saßen in einem Boot aus Stein, der Bug pflügte die Wolken des Bersts und sie schauten geradeaus. Wohin die grenzenlose Kraft ihres unsichtbaren Fährmanns sie treiben würde, war ungewiss, aber auch völlig nebensächlich. Wenn der ganze Kontinent auseinanderbrechen sollte, war es belanglos, an welches Ufer sie geweht würden. Aber wie die Katastrophe verhindern, wie an einer solch unendlich großen, unübersichtlichen Front kämpfen? Wie das Feuer daran hindern, aus der Erde zu steigen; wie die Menschen davor bewahren, im Angesicht des Grauens den Verstand zu verlieren? Wie Asing besiegen, den gestaltlosen Dämon, die Glut des Bösen? Felt wusste es nicht. Es war unmöglich.
    Aber in einem steinernen Boot zu sitzen und über ein Wolkenmeer zu fahren war ebenso unmöglich und sie taten es dennoch. Es war ein Widerspruch, der von Laszkalis aufgehoben wurde. Es war nicht zu verstehen und dennoch geschah es.
Der Mensch wird die Welt nicht mehr verstehen
, das hatte Wigo geschrieben. Und dann würden die Türen sich öffnen. Aus dem Dunkel dahinter würden finsterste Gedanken, abscheuliche Gelüste und grässliche Ängste die Menschen anspringen, sieüberrennen und weiterlaufen   – bis hinein in die Wirklichkeit. Jeder einzelne Mensch war ein Tor zum Untergang. Und alle gemeinsam würden sie schließlich, die Seelen zertrümmert, einer unbesiegbaren Armee des Entsetzens gegenüberstehen   – denn die Quellen versiegten. Die Menschheit würde niedergeworfen werden von den Dämonen, die sie selbst geboren hatte.
    Felt schaute auf die schmale Gestalt, die vor ihm am Bug stand und der der Fahrtwind die Kapuze vom Kopf geweht hatte. Wie gut die Undae ihn und die Kameraden vorbereitet hatten: Gleich zu Beginn hatten sie die Offiziere zu Torviks Quelle geführt, an einen Ort, über dem ein Zauber lag. Einen Ort, an dem es

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