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Culpa Mosel

Titel: Culpa Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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Er hatte so ausdauernd geduscht, dass nicht nur der Spiegel angelaufen war, sondern der Wasserdampf auch an Schrank, Waschmaschine und Wandfliesen kondensierte. Obwohl er sich dreimal gründlich eingeseift hatte, schrubbte er seine Hände und Unterarme nun wieder und wieder mit der Waschpaste, wobei er wusste, dass es keinen Sinn hatte. Mit dem feinen Sand der Seife hatte er sicher schon die oberste Hautschicht abgerubbelt. Sie hätte sich auch von selbst über Nacht gelöst.
    Huck hatte er sich schon als Kind genannt. Bei den ersten Schreibversuchen hatte er den Namen noch mit einem A geschrieben, so wie er ausgesprochen wurde. In Huck hatte er sich wiedererkannt, einem Waisenjungen, dem übel mitgespielt wurde, der sich aber nicht unterkriegen ließ und der einen Freund hatte, mit dem er durch dick und dünn gehen konnte. Mit diesem Namen hatte er sich zuweilen selbst angefeuert. Seitdem er darauf angesprochen worden war, hatte er es nur noch lautlos für sich getan. Bis heute. Huck, das war sein Kampfname, angelehnt an seinen Lieblingsautor. Selbst in seiner römischen Rüstung nannte er sich so, auch wenn er bei den Legionärstreffen offiziell Marcus hieß.
    Als Jugendlicher hatte er alles von Mark Twain gelesen. Nach dem Vorbild des Autors hatte er sogar eine Setzer lehre in einer Druckerei begonnen, die sich in Kirchenbesitz befand, und zu der Schwester Edelberga Beziehungen hatte. Schiffsjunge wäre er auch gerne geworden, die Ausbildung zum Zimmermann jedoch, zu der er nach einem Jahr in der Druckerei gewechselt war, hatte ihm gefallen.
    Noch heute verkleidete er sich gerne, zwar nicht, wie Huck das getan hatte, als Mädchen-, jedoch als Schornsteinfeger und Wandergeselle, das gefiel ihm und konnte obendrein auch eine gute Tarnung sein.
    Wenn er jetzt weiter schrubbte, könnten sich nicht nur eine, sondern weitere Hautschichten lösen. Er hatte sich die Hände schmutzig gemacht, in einer anderen Weise als auf der Arbeit, wo er auch mit Dreck zu tun hatte. Was er heute angefasst hatte, war menschlicher Dreck gewesen. Und einen Teil davon hatte er soeben für immer aus der Welt schaffen können.

Sonntag
    In nicht einmal einer Stunde würde er zum ersten Mal in seinem Leben ernsthaft beten, aber niemand würde ihm dann mehr helfen können. Davon wusste Rudolf noch nichts, als ihm eine kalte Brise entgegenwehte und er bereute, nur eine Kappe statt der Wollmütze angezogen zu haben. Immerhin, der Wind würde ihm nachher auf dem Rückweg, für den er dieselbe Strecke an der Mosel entlang ausgewählt hatte, in den Rücken wehen. Gegen Ende einer Runde auf den Inlineskates war Gegenwind für ihn fast so unangenehm wie bergauf zu fahren.
    An der Weggabelung vor dem Hafen entschied er sich, die kurze Zusatzstrecke entlang des Hafenbeckens erst auf dem Rückweg zu nehmen.
    Der Anblick des renovierten Landguts auf der anderen Moselseite ließ ihn wie gewohnt auf seine Stoppuhr schauen. In diesem Tempo würde er kaum zwanzig Minuten für die Strecke bis zur Mündung der Sauer und wieder zurück nach Grevenmacher benötigen. Den Oberkörper tief gebeugt, beide Hände am Rücken, rollte er mit weit ausholenden Schwüngen über den Asphalt.
    Die letzten Sonnenstrahlen glitten über die Felsen an den Igeler Weinbergen. Das Hafenbecken nebenan war verwaist. Als Schiffer hätte er sich übers Wochenende ebenfalls einen angenehmeren Liegeplatz ausgesucht als den mit Ausblick auf trostlose Lagerhallen und bedrohlich wirkende Tanks, in denen Unmengen von Benzin und Diesel lagerten.
    Die Strecke auf der gegenüberliegenden deutschen Seite war naturnäher, aber hier begegnete er kaum Radfahrern, Joggern oder Spaziergängern.
    An der zweiten Brücke hinter der Sauermündung in Wasserbillig wendete Rudolf. Die Schwäne hatten schon zur Nachtruhe ihre Köpfe ins Gefieder gesteckt, die Moselfähre Feierabend gemacht. Hinter dem Hafenbecken von Mertert entschied er sich trotz der einbrechenden Dunkelheit, die bei Schlaglöchern besonders tückisch sein konnte, den Extrakilometer auf der durch die Hafeneinfahrt zur Sackgasse gewordenen Straße entlang des Flusses einzulegen. Während er die Hallen passierte, fragte er sich, ob heute am späten Abend die Arbeit wieder aufgenommen werden würde oder erst am Montagmorgen. Fast wäre er an der Brieftasche vorbeigerollt, die aus dem Gestrüpp am Wegrand lugte. Er hielt an und trat auf der Stelle und sah sich um.
    Nachdem er die Brieftasche mit dem Inliner auf den Weg gescharrt hatte, ging er

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