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Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Greiff
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gegenseitig nicht ganz aus dem Herzen zu verlieren, das musste sein. Felt wollte nicht glauben, dass der einzige Mensch, dem er sich verbunden fühlte, sich für immer gegen ihn verschließen könnte. Diesen Widerstand zu überwinden machte er sich zum Ziel. Was auch immer die Welt umtrieb, Stahl, Schwerter, schweigendes Wasser, unerklärliche Vorgänge   – es musste warten, bis er mit Estrid im Reinen war.

 
    SIEBENTES KAPITEL
SEDRABRAS
     
    Im Höhenlager hatte jeder und jede, selbst die jüngsten Mitreisenden, Aufgaben: Die Unterstände und Hütten, die in den Firstenstürmen gelitten hatten, mussten ausgebessert werden; Höhlen, die als Zwischenlager für das Gepäck dienten, mussten von den Hinterlassenschaften von Tieren gereinigt werden. Vor allem aber mussten die weidenden Nukks unter Kontrolle gehalten werden   – kein Zaun, den sie nicht überspringen konnten, kein Hund, der ihnen in diesem Gelände hätte folgen können. Also zogen die Welsen einen Ring aus fackelbewehrten Wachen ums Lager, denn Feuer war etwas, womit man auch den größten Bock beeindrucken konnte. Glücklicherweise gab es wenig Raubtiere in diesem Abschnitt der Randberge, die Ödnis der Aschenlande erlaubte keinen Rückzug in tiefer gelegene Regionen, wenn oben der Firsten das Leben unter Eis und Schnee erstarren ließ. Einige wenige Sedrabras trotzten diesen Bedingungen und erwarteten die Ankunft der Welsen und ihrer Nukks mit Heißhunger; einzelgängerische Bären gingen weite Wege, um Beute zu machen. Aber diesen Gefahren konnte man mit Wachsamkeit begegnen. Es oblag Felt, Soldaten und Fackelträger so einzuteilen, dass Tag undNacht der Ring brannte, dass alle auf Position blieben und die Abstände zueinander nicht zu groß werden ließen. Dennoch schlüpfte hin und wieder ein Nukk hindurch   – das Gelände war zwar offen, aber ein großer Felsen oder eine der Bodensenken, die wie mit einem großen Messer in die Wellen der abfallenden Bergflanke hineingeschnitten waren, war für ein vom frischen Gras berauschtes Nukk leichter und schneller zu überwinden als für einen Menschen. Außerdem waren es größtenteils eben keine Wachsoldaten, die die Fackeln schwenkten, sondern Kinder, denen die Arme und Augen schneller müde wurden.
     
    Die Undae schienen nicht zu schlafen. Von allen im Lager unauffällig, aber ständig beäugt, wanderten sie zu dritt umher und folgten dabei meist einem der kleinen, flinken Bäche, die überall aus den Wiesen brachen, durch Gras und Kräuter liefen und in den Senken wieder versickerten. In der Nähe des Höhenlagers gab es keinen größeren, ständigen Flusslauf; die Welsen vertrauten auf die Lendernbächlein und waren bisher nie enttäuscht worden. Den Undae schien es ein stilles Vergnügen zu bereiten, die Rinnsale aufzuspüren, ein wenig darin herumzugehen und dann zum nächsten zu wandern. Tag und Nacht waren sie in dieses seltsame Spiel versunken wie Kinder, die sich aus einem für einen Erwachsenen nicht nachvollziehbaren Grund daran freuen, kleine Steinchen aufzusammeln und von einem Ort zum anderen zu tragen. Und ein Kind war es auch, das die Undae besonders aufmerksam beobachtete. Ristra war fasziniert von den stummen Gestalten in ihren schimmernden Gewändern. Sie hatte ihren Vater dazu verdonnert, mit ihr Kräuter sammeln zu gehen, und Felt hatte sich dafür nur allzu gern seine Pause stehlen lassen.
    »Du musst diese hier suchen.« Sie hielt ihm ein paar Stängeleiner Pflanze mit fedrigen, weichen Blättern hin. »Die frisst Bärtchen so gern, sagenhaft gern.«
    »Tatsächlich?«
    »Ist das nicht schön hier? Bleiben wir jetzt immer hier?«
    »Ein paar Tage bleiben wir, ja.«
    »Gut!«
    Ristra hüpfte voraus, bückte sich hier und da und rupfte ein paar Stängel des Krauts aus, aus denen sie dann sorgsam die versehentlich mit ausgerissenen Grashalme klaubte. Felt tat so, als würde er den Blick senken und suchen, aber er schaute seiner Tochter zu. Er sollte ihr endlich sagen, dass sie sich bald für lange Zeit trennen mussten. Aber er wusste nicht, wie. Also sagte er nichts und versuchte stattdessen, sich ihr Gesicht, ihre eckigen, kindlichen Bewegungen einzuprägen. Die Kehle wurde ihm eng, er musste schlucken. Ihm war nicht bewusst gewesen, wie sehr er dieses Kind liebte.
    Ristra hielt inne und winkte ihn zu sich.
    »Schau mal.« Sie hatte die Undae entdeckt und deutete mit dem Finger auf sie. »Immer haben die ihre Kapuzen auf, dabei ist es doch warm.«
    »Vielleicht vertragen sie

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