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Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Greiff
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Felsvorsprüngen und warteten geduldig auf Beute. So jedenfalls erzählte man es sich, keiner wusste allzu viel über die nachtgrauen Jäger. Denn wer die Reißzähne der mannsgroßen Raubkatze im Nacken spürte, hatte keine Gelegenheit mehr, von der Begegnung zu berichten. Niemals aber hatte Felt davon gehört, dass ein Sedrabra bei strahlendem Sonnenschein auf einen Menschen zugegangen wäre   – geschweige denn auf einen Menschen mit einer lodernden Fackel in der Hand. Und ihn dann umkreiste? Wie ein Wolf? Felt hatte Wölfe gesehen, Wolfsrudel durchstreiften die pramschen Wälder und versuchten immer wieder, unter den weidenden Nukks Beute zu machen. Die mit Verschlagenheit durchsetzte, feige Intelligenzeines Wolfs hatte Felt immer schon mehr beunruhigt als die zwar tödliche, aber doch berechenbare Gefahr, die von einem Sedrabra ausging.
    »Ich kann mir das nicht erklären, Marken«, sagte Felt schließlich. »Sie müssen sehr hungrig sein, der Firsten war lang. Ich lasse den Kreis enger ziehen und die Wachen verstärken, jedermann muss die Augen offen halten. Niemand darf das Lager verlassen. Ich informiere auch die Undae, sie werden auf ihre Spaziergänge verzichten müssen.«
    Marken überlegte kurz.
    »Wir werden sie töten, bevor sie uns töten, Felt.«
    »Wann?«
    »Heute Nacht. Halt dich bereit, Wachmeister.«
    »Zu Befehl.« Felt nahm Haltung an und wartete darauf, dass Marken den Gruß erwiderte und ihn offiziell entließ. Aber der Waffenmeister kniff nur den Mund zu, und als Felt sich nicht rührte, war Marken es, der sich knapp verbeugte und wortlos aus der Hütte ging.
     
    Es war die einfachste aller möglichen Jagdmethoden. Unterhalb eines vorspringenden Felsblocks hatten sie ein Nukk angebunden, dem sein Instinkt verriet, dass es nichts Gutes zu bedeuten haben konnte, von den Artgenossen getrennt zu werden und allein in der aufziehenden Nacht zu stehen. Das Tier gab heisere Rufe von sich und zerrte am Seil. Einen Speerwurf entfernt hangabwärts lagen die Welsen im feuchten Gras und warteten. Die lauen Abendwinde fielen talwärts und so konnten sie hoffen, dass die Sedrabras keine Witterung von ihnen nahmen. Wenn sie so hungrig und so wenig menschenscheu waren, wie sie sich über Tag gezeigt hatten, würde das ohnehin keine große Rolle spielen   – der Köder musste sie verführen. Ein ernsteres Problem war die Dunkelheit. Die Nacht war nichtso klar wie die vorausgegangenen, immer wieder zogen Wolken vor den Mond, und falls sie sich weiter verdichteten, wären die Katzen klar im Vorteil. Noch hob sich die Silhouette des Bocks vor dem Hintergrund des hellgrauen Steins ab, aber darüber tat sich nichts. Es fiel Felt schwer, seine Gedanken nicht zu Estrid wandern zu lassen. Die feuchte Kälte des Bodens machte ihm nichts aus, aber je länger sie hier lagen, desto mehr würden sie sich versteifen und desto schwieriger würde es werden, die Speere zu werfen und auch wirklich zu treffen. Es war höchst unwahrscheinlich, dass das Nukk diese Nacht überleben würde   – Marken hatte Order gegeben, das Tier nicht zu schonen, denn der Plan würde nur aufgehen, wenn alle Mann sofort und ohne zu zögern angriffen, sobald sich die Katzen zeigten. Doch das taten sie nicht. Ob sie sie doch gewittert hatten? Ob es die falsche Strategie gewesen war, so viele Männer an der Aktion zu beteiligen? So flach sie sich auch ins Gras drückten, unsichtbar waren sie nicht, vor allem nicht von einem höher gelegenen Standort aus. Wer weiß, wie lange die Raubtiere schon irgendwo im undurchdringlichen Schatten eines der vielen Felsblöcke lauerten, die wie versteinerte Warzen auf der dünnen grünen Haut der Bergflanke saßen. Die Welsen waren keine geborenen Jäger. Ihre Stiefel waren schwer, ihr Tritt fest, die Haltung aufrecht   – Verstohlenheit war nicht ihre Sache und stundenlanges, bewegungsloses Ausharren zerrte an ihren Nerven. Felt spürte die Ungeduld und Übermüdung der ringsum im Gras liegenden Soldaten und kämpfte gegen das Gefühl des bevorstehenden Scheiterns. Er fragte sich gerade, ob es nicht auch sein Gutes hatte, dass in dieser Nacht keine Kreatur ihr Leben lassen musste, als das Nukk sein Klagen unterbrach. Er war sich nicht sicher, ob er an der Felskante einen Schatten sah, eine bewegliche Dunkelheit vor der unbeweglichen, aber die atemlose Stille, die das Opfertier nun umringte, sagte ihm, dasssich die anderen ebenso wie er bereitmachten. Wie befürchtet hatte sich der Himmel dicht bezogen und

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