0020 - Im Landhaus der Schrecken
Haus schallendes Gelächter aufbrandete. Anerkennend meinte er zu seinem Kollegen: »Diese Leute verstehen es, ein Fest zu feiern, was?«
Der andere hob die Schultern. »Wenn ich mehr Geld zur Verfügung hätte, verstünde ich’s schon auch. Ist doch nur eine Frage des Zasters. Wie heißt es doch so treffend? Ohne Geld keine Musik.«
»Nolan hat eine Menge interessanter Leute eingeladen.«
»Der kennt doch Gott und die Welt.«
»Weißt du, mit wem ich mich mal gern unterhalten würde?«
»Nein.«
»Mit Sinclair.«
»Worüber würdest du mit ihm denn reden?«
»Über seine unheimlichen Fälle natürlich. Dieser Mann hat Sachen erlebt, sage ich dir, da bleibt dir glatt die Spucke weg.«
»Ob das alles nicht ein bißchen aufgebauscht wird?«
»Ich bin sicher, daß jedes Wort wahr ist. John Sinclair ist kein Schaumschläger.«
Die Männer setzten ihren Rundgang fort. Die Person, die sie heimlich beobachtete, glitt vorsichtig hinter den Hecken hervor und wischte wie ein Schemen über den teppichweichen Rasen. Neben der Terrasse blieb die Gestalt reglos stehen. Musik drang aus dem Haus. Gläser klirrten. Ein vielstimmiges Gemurmel erfüllte die Silversternacht, die für einen Menschen ein schreckliches Ende nehmen würde.
Die Person lehnte sich an die Gebäudewand. Aus ihrer Kehle drang ein mordlüsternes Knurren, während sich die Hände verkrampften und plötzlich zu schrecklichen Klauen wurden. Büschelweise schossen Haare aus dem Handrücken. Ein Zittern durchlief den kräftigen Körper des Unheimlichen. In seinen Augen glomm mit einemmal eine dämonische Glut. Das Gesicht wurde leichenblaß, die blutleeren Lippen formten eine harte, grausame Linie. Er röchelte, während über seine eingesunkenen Wangen ein nervöses Zucken lief.
»Jacqueline!« gurgelte der Unhold mit rauher Kehle. »Jacqueline Flagg! Höre mich, und befolge meinen Befehl! Verlasse das Haus! Komm zu mir! Jacqueline, ich erwarte dich!«
»Wenn Sie mich einen Moment entschuldigen wollen«, sagte Jacqueline Flagg zu Steve Murphy, einem geschäftstüchtigen Londoner Makler. Murphy liebte gesellschaftliche Veranstaltungen. Er gab des öfteren Partys, weil er das Gespräch mit den Mitmenschen schätzte. Außerdem machte er auf solchen Festen zumeist die besten Geschäfte. Bedingung war nur, daß er sich von den richtigen Leuten einladen ließ – oder sie zu sich einlud. Er sah gut aus, hatte pechschwarzes Haar, das an den Schläfen mit Silberfäden durchzogen war. Alle seine Anzüge waren vom ersten Schneider Londons angefertigt und paßten ihm wie angegossen.
»Aber selbstverständlich«, sagte Murphy und deutete eine leichte Verneigung an.
»Ich bin gleich zurück«, sagte Jacqueline Flagg. Sie wußte nicht, daß das nicht stimmte. Sie konnte es nicht wissen. Sie stellte ihr Glas auf den Kaminsims, lächelte Steve Murphy kurz zu, wandte sich dann um und verließ die riesige Halle.
Alles das geschah nicht aus ihrem eigenen Antrieb. Sie handelte automatisch. Etwas hatte ihr befohlen, das Haus des Rechtsanwalts zu verlassen. Sie dachte nicht darüber nach, woher dieser Befehl kam. Jemand erwartete sie draußen in der Dunkelheit, das stand für sie fest, und sie wußte, daß sie ihn nicht warten lassen durfte.
Jacqueline Flagg war fünfundvierzig und seit drei Jahren Witwe. Ihren Mann hatte ein äußerst tragisches Schicksal ereilt. Als schwerreicher Industrieller hatte er mit der ständigen Angst leben müssen, eines Tages gekidnappt zu werden. Er ließ sich rund um die Uhr bewachen, machte keinen Schritt ohne seine geschulten Leibwächter aus dem Haus. Dennoch blieb ihm das, wovor er sich so sehr fürchtete, nicht erspart.
Eine Gangsterbande schoß seine Leibwächter auf offener Straße zusammen und entführte ihn.
Das Ereignis ging damals wegen seiner beispiellosen Kaltblütigkeit durch die Weltpresse.
Zwanzig Millionen Pfund wollten die Verbrecher für die Freilassung des Industriellen haben. Jacqueline Flagg setzte alle Hebel in Bewegung, um soviel Geld flüssigzumachen. Sie bezahlte die geforderte Summe in der ihr gesetzten Frist.
Aber sie bekam ihren Mann nicht wieder.
Man fand ihn drei Wochen später tot in einem verfallenen Haus außerhalb Londons.
Das lag nun schon drei Jahre zurück, doch wenn Jacqueline heute daran dachte, krampfte es ihr immer noch schmerzhaft das Herz zusammen. Sie hatte sich zwei Jahre lang nicht in der Öffentlichkeit blicken lassen, hatte alle Einladungen abgelehnt. Erst vor einem halben Jahr hatte
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