0027 - Wir fingen den roten Delphin
Überraschung am späten Abend!«
Ich hatte das »Abend« noch nicht ganz heraus, da bekam ich einen wuchtigen Schlag gegen die Kinnspitze. Ich fiel rückwärts und schlug der Länge nach in den weichen Sand. Noch im Fallen hörte ich den entsetzlichen Schrei der Frau. Ich riß mich wieder hoch.
In langen Sprüngen hetzte Mr. Studeway über den Strand zurück zur Straße. Ich sah ihm einen Augenblick verdutzt nach, bis ich erkannte, daß die Frau unverletzt noch immer neben der Doppelpalme stand.
Nur ihre Tasche hatte sie nicht mehr. Die hielt jetzt Mr. Studeway krampfhaft fest, während er über den Strand zur Straße lief. Ich konnte mir nicht helfen, plötzlich stieg ein Gelächter in mir auf, das sich dröhnend Bahn brach. Das Bild war aber auch zu komisch. Der wie ein Irrer spurtende Studeway mit einer Tasche voller Zeitungspapier, von der er glaubte, daß sie 10 000 Dollar enthielt.
Zuerst zögernd, dann befreiend hell, stimmte Mrs. Canderley in mein Gelächter ein. Ich dachte nicht daran, ihm nachzulaufen. Ganz im Gegenteil, ich ging ganz gemütlich mit Mrs. Canderley zurück. Wir nahmen uns sogar Zeit, in einer Bar unterwegs unser nächtliches Abenteuer mit einem anständigen Kognak zu begießen.
»Das also war der Erpresser?« sagte die Frau, bevor ich mich vor der Tür zu ihrem Bungalow von ihr verabschiedete.
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, das war er nicht. Gute Nacht, Mrs. Canderley. Schlafen Sie gut! Den Erpresser serviere ich Ihnen morgen früh zum Frühstück!«
Ich ging schnell weg, damit sie mich nichts mehr fragen konnte.
In unserem Bungalow tastete ich mich vorsichtig ins Schlafzimmer, ohne Licht zu machen. Ich hatte meine Gründe, die Dunkelheit vorzuziehen.
Als ich an Phils Bett angekommen war, rüttelte ich ihn.
»He, was ist los?« brummte er schläfrig.
»Wir kriegen heute sicher noch Besuch.«
»Heute nacht?«
»Ja, ich glaube.«
»Okay.«
Er stand auf, ging zu einem kleinen Schränkchen, holte seine Dienstwaffe aus irgendeiner Schublade und vollführte damit eins seiner Kunststückchen. Er ließ sie um den Zeigefinger viermal kreisen, schob sie dann in die Tasche seiner Schlafanzugsjacke und ging wieder ins Bett.
»Weck mich, wenn unser lieber Besuch da ist!« knurrte er noch. Dann verkündeten seine gleichmäßigen Atemzüge auch schon, daß er im Begriff war, wieder sanft hinüberzudämmern.
Ich ließ mich in einen der Sessel mit den breiten Schaumgummipolstern fallen und wartete. Ich war sicher, daß wir noch Besuch bekommen würden. Und ich hielt es für besser, wenn wenigstens einer von uns beiden dabei wach war.
Das Warten gab mir eine willkommene Gelegenheit, über das in meinen Augen mißglückte Abenteuer am Strand nachzudenken. Dieser Ben Studeway war nicht der Erpresser. Er war vielleicht sein Handlanger, aber er war nicht der Kopf, auf solche Ideen selbst zu kommen.
Ich zündete mir eine Zigarette an und schirmte das rote Pünktchen der Glut mit der gebeugten Hand ab. Ein paar verwegene Pläne huschten durch meinen Kopf, aber ich verwarf sie alle wieder.
Plötzlich hatte ich den richtigen Einfall. Ich lauschte, aber es war nichts zu hören. Ein vorsichtiger Blick durchs Fenster zeigte mir, daß sich noch niemand unserem Bungalow näherte.
Ich ging ins Wohnzimmer ans Telefon. Ich wählte die Nummer von Canderleys. Die Frau meldete sich sofost.
»Hallo, Mrs. Canderley. Hier spricht Cotton. Entschuldigen Sie, daß ich Sie mitten in der Nacht noch einmal anrufe. Ist Ihr Mann eigentlich schon vom Fischen zurück?«
»Nein, er kommt nie vor sechs, sieben Uhr früh, wenn er nachts noch hinausfährt.«
»Würde es Ihnen viel ausmachen, wenn ich Sie bitte, heute nacht noch einen Brief an den Erpresser zu schreiben?«
»Schlafen kann ich ohnehin nicht. Ich bin noch viel zu aufgeregt. Was soll ich schreiben?«
»Darf ich in ungefähr einer Stunde zu Ihnen kommen und Ihnen den Text diktieren? Ich kann im Augenblick nicht weg, weil ich noch einen Besucher erwarte.«
»Ja, das ist mir recht. Ich werde auf Sie warten!«
»Ich danke Ihnen sehr für Ihre Hilfsbereitschaft, Mrs. Canderley«, sagte ich.
Ich legte den Hörer auf, ging wieder ins Schlafzimmer und setzte mich in den Sessel. Er stand so, daß ich mich mit ihm in der dunkelsten Ecke des Zimmers befand. Für meine Zwecke war das der beste Platz.
Die Haustür unseres Bungalows hatte ich absichtlich nicht verschlossen, und tatsächlich vergingen nach meinem Telefonieren keine zehn Minuten mehr, bis ich
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