0027 - Wir fingen den roten Delphin
verstecken, daß man mich nicht sieht. Ich werde es aber schon irgendwie so einrichten, daß ich ganz in Ihrer Nähe bin. Sie brauchen nur eins zu tun: Stellen Sie sich dicht neben die Palme, und lassen Sie sich durch nichts dazu bewegen, von dem Baum wegzugehen.«
»Und was soll ich sagen, wenn er das Geld verlangt?«
»Sagen Sie ihm einen schönen Gruß von G-man Jerry Cotton aus New York. Das Geld könne er bei mir abholen. Und passende Handschellen.«
Sie musterte mich unsicher und meinte verlegen:
»Das sollte doch wohl ein Scherz sein, nicht wahr?«
Ich stand auf und schüttelte den Kopf.
»Nein, Mrs. Canderley, das ist mein voller Ernst. Sagen Sie ihm wörtlich, was ich Ihnen auftrug! Sie brauchen nichts zu befürchten. Ich werde meine Dienstwaffe mitnehmen. Er wird nicht dazu kommen, Sie auch nur mit dem kleinen Finger zu berühren. Ich bin ein sehr guter Schütze. Bitte, haben Sie Vertrauen zu mir! Ich würde die Sache lieber anders einrichten, aber es geht nicht. Wenn ich ihn nicht auf frischer Tat ertappen kann, fehlen mir die Beweise gegen ihn. Wenn ich keine Beweise habe, wird er weiter in Freiheit herumlaufen und sein schmutziges Verbrechen ausüben. Ja, er wird vielleicht sogar weitermorden.«
Ich ging zur Tür. Dort drehte ich mich noch einmal um und fragte leise: »Werden Sie es tun?«
Sie stand mitten im Raum. Eine hübsche, sympathische Frau. Sie nickte entschlossen.
»Ja. Ich werde es tun. Und - vielen Dank, Mr. Cotton!«
Zum ersten Male, seit wir miteinander sprachen, wurde ihr Gesicht etwas gelöster.
Ich winkte ab und sagte: »Schon gut! Dann bis heute abend!«
Ich ging hinaus. Eins war klar: der Erpresser mußte in der unmittelbaren Nähe unseres Hotels zu finden sein. Sonst hätte er kaum erfahren können, daß Canderley auch heute nacht fischen gehen wollte. Wenn es der Mann war, auf den ich von Anfang an tippte, dann war alles klar. Wenn ich mich aber irrte?
Nun, heute würde ich es erfahren. Ich sah gedankenvoll hinüber zum Strand. Ungefähr einen Kilometer vom Hotelgelände entfernt war die Stelle, wo die gespaltene Palme mit ihrem Doppelstamm in den blauen Himmel ragte. Keine 20 Meter von ihr plätscherte das Meer mit seinen weißen Gischtkronen auf den blaugrünen Wellen, die in unendlicher Kette am Strand ausliefen.
Ein paar Fischerboote lagen kieloben auf dem weichen Sand. Hoffentlich lagen sie auch heute nacht noch da. Sie waren die einzige Chance für mich, dort ein Versteck zu finden.
Den Rest des Nachmittags verbrachte ich, wie man eben in Miami einen Nachmittag verbringt: man schwimmt ein bißchen, man sieht am Strand den Wellenreitern zu, man sonnt und räkelt sich.
Aber das bevorstehende nächtliche Abenteuer ging mir die ganze Zeit über nicht aus dem Sinn. Phil merkte natürlich, daß ich etwas vorhatte, aber ich sagte ihm nichts. Ich wollte ihm eine Lehre geben wegen seines großartigen Auftretens. Es gibt Dinge, die kann man nicht vertragen. Mir geht es so, wenn mich jemand halboffiziell für einen Dummkopf erklärt, dem man das Denken abnehmen muß.
Natürlich war es kein ernstlicher Groll, den ich gegen Phil hegte. Unsere Freundschaft ist so fest, daß sie durch eine Kleinigkeit niemals gefährdet werden kann. Es war mehr eins jener Spielchen, die wir hin und wieder miteinander trieben, weil man sich ja nicht dauernd gegenseitig der unverbrüchlichen Freundschaft versichern kann.
Als ich gegen elf in meinem dunkelgrauen Einreiher im Wohnzimmer erschien, musterte mich Phil kritisch. Und dabei kam er auf einen Verdacht, der mein Zwerchfell reizte, wenn ich mir auch das Lachen verbiß.
»Ich hatte mal einen Freund«, fing er mit seiner ewigen Geschichte an. »Der war ein lieber, netter Junge. Aber eines Abends hatte es ihn erwischt. Ich glaube, es war irgendwo in Florida. Er verliebte sich und schied aus dem Kreis der vernünftigen Menschen aus. Man konnte es deutlich daran erkennen, daß er seinen besten Anzug anzog, obgleich der viel zu dunkel für Florida war.«
Wie gesagt, es kitzelte bedenklich mein Zwerchfell, aber ich verbiß mir das Lachen. Es war gut, daß Phil dachte, ich wolle bei irgendeinem weiblichen Wesen Romeo spielen. Da war ich wenigstens sicher vor neugierigen Fragen.
»Wann wirst du zurück sein?« erkundigte er sich, als ich ihm nicht antwortete.
Ich zuckte die Achseln.
»Ja, ja«, träumte er. »Der Mond, der Strand, die Sterne - weiß Bescheid.«
Ich machte, daß ich hinauskam. Phil als schwärmender Troubadour - das ging über
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