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004 - Kerry kauft London

004 - Kerry kauft London

Titel: 004 - Kerry kauft London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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Fahrstühlen?«
    Sie hätte ihn abfahren lassen können - zum wenigsten hätte sie es versuchen sollen -, aber aus irgendeinem unerklärlichen Grunde war sie froh, mit ihm sprechen zu können. Leute wie er hatte sie in Tante Marthas glücklichen Tagen kennengelernt.
    »Ich habe ein wenig Angst«, entgegnete sie mit einem flüchtigen Lächeln. »Es ist natürlich töricht.«
    Er nickte. »Ich bin selbst ein wenig ängstlich«, gestand er ungezwungen ein. »Nicht daß ich mich vor dem Tode fürchte; aber wenn ich an die vielen Menschen denke, deren Zukunft von mir und meinem Leben abhängt - oh, dann stehen mir jedesmal, wenn ich über die Straße gehe, die Haare zu Berge.«
    Er verlangte nicht, daß sie sich für ihn interessiere. Sie fühlte, daß er einen Gedanken, der ihm durch den Kopf gegangen war, ganz schlicht und ungezwungen aussprach, und betrachtete ihn mit größtem Interesse.
    »Ich habe gerade eine Irrenanstalt gekauft«, fuhr er fort und zündete sich nach einem Augenaufschlag, der um Erlaubnis bat und gleichzeitig dankte, eine Zigarre an.
    Sie starrte ihn an, und er lachte. Während ein Verdacht in ihr aufglomm, lief der Zug donnernd ein. Das junge Mädchen sah mit Schrecken, daß er voll besetzt war.
    »Diesen werden Sie nicht mehr bekommen«, sagte der Herr ruhig. »In einer Minute kommt wieder einer.«
    »Ich werde es doch wohl versuchen müssen«, entgegnete das junge Mädchen und eilte vorwärts.
    Ihr seltsamer Begleiter ging mit langen Schritten hinter ihr her, aber selbst mit seiner Unterstützung war es ihr gänzlich unmöglich, festen Fuß zu fassen, und sie mußte mit vielen anderen zurückbleiben.
    »Zeit ist Geld«, sagte der grauhaarige Fremde heiter. »Nehmen Sie es nicht zu genau.«
    »Ich kann ja nicht anders«, erwiderte sie in begreiflicher Aufregung. »Sie brauchen wahrscheinlich nicht einem zornigen Arbeitgeber mit der Uhr in der Hand und dem Urteil im Gesicht gegenüberzutreten.«
    Trotz ihres Ärgers konnte sie sich eines Lächelns nicht erwehren. »Entschuldigen Sie bitte, ich wollte eigentlich nicht über mein Mißgeschick murren. - Sie sagten soeben, Sie hätten eine Irrenanstalt gekauft?«
    Er nickte, zwinkerte mit den Augen und fügte mit leichtem Vorwurf hinzu: »Und Sie dachten nun, ich sei gerade aus einer entsprungen. - Ja, ich habe gerade die Irrenanstalt Coldharbour gekauft - die ganze Geschichte.«
    Sie schaute ihn ungläubig an. »Wirklich?« Ihr Zweifel war nicht ganz ungerechtfertigt, denn die Irrenanstalt Coldharbour ist die größte in London und die zweitgrößte der Welt.
    »Tatsächlich«, erwiderte er. »Ich will daraus das feinste Klubhaus Londons machen.«
    Das Einlaufen eines neuen Zuges schnitt ihm das Wort ab. In Begleitung des grauhaarigen Herrn, der in so kurzer Zeit die Rolle eines Beschützers übernommen hatte, was an sich tröstend, aber gleichzeitig auch ein wenig peinlich war, fand sie in einem Wagen für Raucher einen Platz.
    Es ließ sich so zwanglos mit ihm plaudern, und es fiel ihr so leicht, ihm ihre Hoffnungen und Befürchtungen anzuvertrauen.
    Allzu schnell kam sie am Oxford Circus an und hatte über dem Geplauder ganz vergessen, daß die Bahnhofsuhr zwanzig Minuten nach neun zeigte.
    »Wollten Sie denn auch zum Oxford Circus?« fragte sie in plötzlich aufsteigender Befürchtung, sie könnte diesen Käufer von Irrenanstalten von seinem Weg abgebracht haben.
    »Merkwürdigerweise ja. Ich will um halb zehn in der Oxford Street ein Geschäft kaufen.«
    Wieder streifte ihn ein rascher Blick, und er kicherte, als er sah, wie sie ein wenig zurückfuhr.
    »Ich bin vollkommen harmlos«, sagte er scherzend.
    Sie traten zusammen auf die Argyll Street hinaus, und er reichte ihr die Hand. Mit einem »Auf Wiedersehen!« verabschiedete er sich, ohne ihr seinen Namen zu nennen. Es war King Kerry, und seinerseits kannte er ihren Namen. Der stand auf dem Buch, das sie in der Hand hielt.
    Sie fühlte sich ein wenig unbehaglich, verabschiedete sich aber lächelnd von ihm. Er sah ihr eine Weile nach.
    Ein Mann mit wirrem Haar und stierem, glasigem Blick hatte die beiden von der anderen Seite der Straße beobachtet. Plötzlich dröhnten zwei Schüsse, und eine Kugel pfiff an King Kerrys Kopf vorbei.
    »Das war für Sie, Mann!« brüllte eine Stimme, und im nächsten Augenblick war der Schütze von zwei Polizisten gepackt.
    Langsam zog ein Lächeln um die Mundwinkel des Fremden.
    »Horace«, sagte er und schüttelte den Kopf, »du bist ein ganz elender

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