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006 - Der Fluch der blutenden Augen

006 - Der Fluch der blutenden Augen

Titel: 006 - Der Fluch der blutenden Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Brent
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Geisterbahn hörte sich das, was X-RAY-3 zu sagen hatte,
nur flüchtig an. »Ja, vorhin. Wir hatten einen Stromausfall. Nein, es ist nicht
üblich, dass die Wagen stehenbleiben. Der Stromausfall kam zustande, weil eine
Sicherung herausgesprungen war. Aber der Schaden war gleich wieder behoben.«
    Larry Brents rauchgraue Augen wurden eisig. »Das Seltsame daran war, dass
es genau in dem Augenblick geschah, als die Inderin starb.«
    Turing zuckte kaum merklich zusammen. Doch den geübten Augen des Agenten
entging die Bewegung nicht. »Ah, Sie sind der Herr, der mit der Inderin ...«
    »Richtig. Ich saß bei ihr im Wagen.«
    Turing zuckte die Achseln. »Schicksal. Was will man dagegen machen? Der
Stromausfall im Augenblick des Todes – ist Zufall. Im Übrigen, was wollen Sie
eigentlich? Was geht Sie das Ganze an? Maßgebend ist für mich die Ansicht der
Polizei. Und es sieht ganz so aus, dass die Frau nicht durch einen gewaltsamen
Tod umkam.«
    »Das sieht so aus, richtig«, bediente sich Larry Brent der Worte des
Untersetzten. »Aber viele Dinge scheinen auf den ersten Blick anders zu sein
als beim zweiten. Der beste Beweis ist Ihre eigene Geisterbahn, Mister Turing.«
    »Was wollen Sie damit sagen?« Die Stimme des Schaustellers klang rau.
    »Im Dunkeln sehen die Dinge anders aus als bei grellem Licht. Man sieht
dann das Gestänge, die Mechanismen, die die Puppen und Schauergestalten
steuern. Warum haben Sie eigentlich Inspektor Hopkins gegenüber den
Stromausfall zur Todeszeit verschwiegen?« Larry hatte ursprünglich Tatzeit
sagen wollen, aber er überlegte es sich im letzten Augenblick anders.
    »Man hat mich nicht danach gefragt. Und ich hatte vorhin den Kopf so voll
mit anderen Dingen, dass ich nicht mehr daran gedacht habe. Und nun gehen Sie!
Ich muss meine Abrechnung fertig machen. Ich will schließen.«
    Erst jetzt fiel X-RAY-3 auf, dass während der letzten Minuten nur noch
vereinzelt Wagen in der Geisterbahn verschwunden waren. Links stauten sich
jetzt die Wägelchen, eines hinter dem anderen. Ein schmuddelig gekleideter
Hilfsarbeiter, unrasiert, mit ungepflegtem Haar, schob die Wagen ineinander.
    Die letzten Fahrgäste verließen die Geisterbahn. Der Publikumsverkehr hatte
nachgelassen. An manchen Ständen ging bereits das Licht aus.
    »Gute Nacht, Mister Turing«, verabschiedete sich Larry Brent höflich von
dem Engländer und erntete für seinen Gruß nur ein dumpfes, unwilliges Murren.
    Das markante, scharfgeschnittene Gesicht des PSA-Agenten war wie aus Stein
gemeißelt. Die klugen Augen blickten in eine unwirkliche Ferne. In dem
Augenblick hätte einem unbemerkten Beobachter klar werden müssen, welche
Energie und Ausdauer in diesem sportlichen Körper steckte.
    Im Gesicht des Amerikaners regte sich nichts, als er durch die Budenstraßen
ging und langsam dem Ausgang des Rummelplatzes zustrebte. Die letzten Musiktöne
verklangen, die Lichter gingen aus, es wurde dunkel auf dem Platz, wo vor einer
halben Stunde noch Jubel und Trubel herrschten.
    In Gruppen, als Pärchen und einzeln entfernten sich die Menschen, suchten
ihre Autos auf oder gingen zu Fuß. Die meisten wohnten in der Nähe. Larry Brent
war der einzige, der praktisch im Zentrum Londons zu Hause war.
    Er überquerte eine Straße. Ein Taxi ratterte hinter ihm heran. Eine alte,
schwarze Kiste mit Speichenrädern und knatterndem Auspuff. Ein Wagen, der
mindestens zwanzig Jahre alt war. In jedem anderen Land der Welt wäre ein
solches Vehikel schon längst auf dem Schrotthaufen gelandet. Nicht so in
London.
    »Taxi, Sir?« Die Stimme des Chauffeurs klang dunkel. Er hatte das rechte
Fenster halb heruntergekurbelt.
    Larry nickte. »Sie kommen wie gerufen!« Seine Worte kamen ihm wenig später
erst richtig in den Sinn. Und da war es schon fast zu spät.
     
    ●
     
    Das Flugzeug rollte langsam auf die Startbahn.
    Zeit: 22.39 Uhr. Ort: London
Heathrow.
    Die Maschine der Indian Airlines
Corporation gewann rasch an Geschwindigkeit. Die vier Triebwerke röhrten
auf, die Positionslichter unter dem Rumpf des Flugzeugs blinkten rhythmisch.
    An Bord der Maschine, die zum Flug nach Delhi startete, befanden sich 86 Passagiere.
Davon waren 51 Inder, die restlichen 35 Fluggäste setzten sich aus Angehörigen
aller europäischen Nationen zusammen. Und von diesen waren wieder fünfzehn
Engländer. Einer von ihnen hieß Oliver Sholtres. Ein junger Journalist,
intelligent, mit dem Blick für das Wesentliche. Er hatte nur einen schwarzen
Diplomatenkoffer dabei.

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